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Legal News April 2023

Newsletter – 03.05.2023

Es freut uns, Ihnen nachfolgend unsere Legal News für April 2023 zur Verfügung zu stellen.

Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst.

 

ARBEITSRECHT

Unbezahlte Dienstfreistellung wegen Missachtung der betriebsinternen 3G-Regelung

In der Entscheidung 8 Ra 87/22f vom 28. November 2022 befasste sich das OLG Wien mit der Frage, ob die Freistellung eines Arbeitnehmers, welcher sich wiederholt weigerte, der betriebsintern eingeführten 3G-Regelung Folge zu leisten, gerechtfertigt war. Die Dienstfreistellung bekämpfte der Arbeitnehmer mit einer Klage, da er sich dem Arbeitgeber gegenüber leistungsbereit gezeigt hatte, weshalb die Freistellung nicht ohne Entgeltfortzahlung ausgesprochen werden hätte dürfen.

Das Gericht entschied, dass die entgeltlose Dienstfreistellung eines Arbeitnehmers, der dem 3G-Regelungskonzept des Arbeitgebers nicht Folge leistet, rechtlich zulässig ist. Die gesetzlichen Regelungen hierzu führen aus, dass ein aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammender Grund für eine entgeltlose Freistellung notwendig ist. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf die Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat ein Interesse die anderen Fahrgäste und Mitarbeiter durch angemessene Maßnahmen zu schützen, wohingegen der Arbeitnehmer sein Interesse lediglich auf den fehlenden Willen, einen Test durchzuführen stützt. Es wurde angemerkt, dass das Interesse des Arbeitgebers wesentlich schwerer wiegt als das des Arbeitnehmers. Aus der Abwägung der beiden Interessen ergibt sich für das OLG Wien, dass die Gründe der Dienstfreistellung vom Arbeitnehmer gesetzt wurden und dieser deshalb keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

OLG Wien 28.11.2022, 8 Ra 87/22f

 

GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT

Entgeltanspruch des gewerberechtlichen Geschäftsführers

Der OGH musste sich in diesem Fall mit dem Entgeltanspruch aus einem vorgetäuschten Beschäftigungsverhältnis eines gewerberechtlichen Geschäftsführers auseinandersetzen.

Ein Baumeister, der Vollzeit als Einzelunternehmer tätig war, vereinbarte mit der beklagten GmbH, dieser seine Gewerbeberechtigung für das Bauträgergewerbe zur Verfügung zu stellen und gegenüber der Gewerbebehörde als gewerberechtlicher Geschäftsführer aufzutreten. Dazu wurde er auch als kollektiv vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Weder wollte noch sollte er sich an der Willensbildung oder der tatsächlichen Geschäftsführung der beklagten GmbH beteiligen. Als Gegenleistung sollte er als einzelunternehmerischer Baumeister von der Beklagten mit der Planung bzw Bauleitung bei deren Bauprojekten beauftragt werden. Nach zwei von der Beklagten erteilten Aufträgen wickelte diese zwei weitere Bauvorhaben ab, ohne den Baumeister zu involvieren; die Löschung des Baumeisters als gewerbe- und handelsrechtlicher Geschäftsführer erfolgte erst danach. Die Vorinstanzen wiesen das (Klage)begehren des Baumeisters auf Zahlung des Honorars für jene weiteren Bauvorhaben, bei denen er nicht beauftragt wurde, ab. Dem schloss sich der OGH an.

Dazu führte der OGH aus, dass sich der gewerberechtliche Geschäftsführer gem § 39 Abs 2 und 3 GewO im Betrieb entsprechend betätigen muss. Dem Geschäftsführer muss es möglich sein, die gewerberechtliche Tätigkeit des Betriebs ausreichend zu beobachten und zu kontrollieren.

Fehlt eine solche Betätigung, so verlangt der Normzweck des § 39 Abs 3 GewO (Sicherung der Allgemeinheit und des mit der Gesellschaft kontrahierenden Bestellers) die Nichtigkeit einer Vereinbarung, mit der eine Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt werden soll.

Eine derartige Umgehung wird auch angenommen, wenn eine Bestellung zum handelsrechtlichen Geschäftsführer nur erfolgt, um die formalen Bestellungsvoraussetzungen zum gewerberechtlichen Geschäftsführer (vgl § 39 Abs 2 Z 1 GewO) zu erfüllen.

Aufgrund der Nichtigkeit der Vereinbarung besteht auch kein Anspruch des Baumeisters auf Entgelt für das „Zurverfügungstellen seiner Gewerbeberechtigung“.

OGH 18.11.2022, 6 Ob 182/22s

 

IMMOBILIENRECHT

Zur Anwendung der absoluten schadenersatzrechtlichen Verjährungsfrist auf Bestandgeberansprüche

Der OGH befasste sich hier mit der Frage der Verjährung von vertraglichen Schadenersatzansprüchen des Bestandgebers für die Beschädigung oder missbräuchliche Abnützung des Bestandobjekts.

Dem Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung liegen Schäden aufgrund eines Dachgeschoßausbaus zugrunde. Dieser Dachgeschoßausbau war vom Mieter aufgrund der Vermietung der Dachbodenfläche vorgenommen worden. Das Mietverhältnis datiert aus dem Jahr 1983 und ist noch nicht beendet. Der Ausbau wurde jedenfalls mehr als 30 Jahre vor der Klagseinbringung fertiggestellt. Die Vermieterin begehrte mehr als 30 Jahre nach Ausbau der Dachgeschosswohnung und -terrasse, bei nach wie vor aufrechtem Mietverhältnis, Schadenersatz aufgrund mangelhafter Ausführung der Mieterin.

Der Vermieter kann seine Schadenersatzansprüche gegen den Mieter gemäß § 1111 ABGB binnen einem Jahr ab Rückstellung des Bestandgegenstands auch dann noch geltend machen, wenn der Schaden schon mehr als 30 Jahre zuvor verursacht wurde.

Eine analoge Anwendung der in § 1489 Satz 2 ABGB geregelten absoluten Verjährungsfrist von 30 Jahren für allgemeine Schadenersatzansprüche findet in diesem Zusammenhang nicht statt. Der OGH begründet seine Entscheidung vordergründig damit, dass der Bestandgeber erst nach Rückgabe des Bestandobjekts in der Lage ist, sich aufgrund eigener Sachherrschaft ungestört ein umfassendes Bild vom Zustand des Bestandobjekts zu machen.

OGH 22.11.2022, 4 Ob 122/22b

Kündigungsschutz des MRG kann nicht durch Räumungsvergleich „auf Vorrat“ umgangen werden

Seit 1997 schlossen die Vertragsparteien „zur Sicherheit“ in Bezug auf das im Jahr 1992 abgeschlossene und dem MRG unterliegende Mietverhältnis alle fünf Jahre einen gerichtlichen Räumungsvergleich, nach dem der Mieter das Mietobjekt nach fünf Jahren geräumt zu übergeben hat. Der letzte Räumungsvergleich stammt aus 2017 und sieht einen Räumungstermin im Jahr 2022 vor. Nachdem der Vermieter erklärt hatte, das Mietverhältnis zu diesem Termin „zu beenden“, brachte der Mieter Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Räumungsvergleichs ein.

Der OGH sah in den periodischen Räumungsvergleichen den Versuch, die Kündigungsregelungen des MRG unzulässigerweise zu umgehen, weil kein tatsächlicher Beendigungs- bzw Befristungswille bestand, sondern die Vergleiche dazu dienten, dem Vermieter eine einseitige Beendigungsmöglichkeit zu sichern. Die Befristungsregelungen und der Kündigungsschutz des MRG können nicht durch den Abschluss eines Räumungsvergleichs „auf Vorrat“ umgangen werden.

OGH 31.1.2023, 4 Ob 224/22b

 

LITIGATION

VW-Abgasskandal: Benützungsentgelt und Vergütungszinsen nach Wandlung des KFZ-Kaufvertrages

Infolge der Vorabentscheidung des EuGH vom 14.7.2022, C-145/20, liegt nunmehr die erste Entscheidung des OGH iZm dem VW-Abgasskandal vor. Die in den betroffenen KFZ vorhandene „Umschaltlogik“ stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU dar. Aus dem zugrundeliegenden Urteil des EuGH geht hervor, dass die vollständige Abgasrückführung im Fahrzeug nur bei Außentemperaturen zwischen 15°C und 33°C ein nicht geringfügiger Mangel ist (Abgasrückführung nur während 4-5 Monaten im Jahr voll aktiv). Dieser Mangel wäre durch die von VW angebotene Verbesserung iS eines Software-Updates nicht behoben worden, da danach immer noch eine unzulässige Abschalteinrichtung und somit ein rechtswidriger Zustand vorhanden gewesen wäre.

Da gegenständlich ein nicht geringfügiger Mangel am KFZ vorliegt, hat der Kläger das Recht auf Rückabwicklung des Vertrages durch Wandlung (Rückgabe des KFZ gegen Rückerstattung des Kaufpreises zzgl Zinsen), wobei sich der Kläger ein Benützungsentgelt für die bisherige Nutzung des KFZ anrechnen lassen muss. Das Benützungsentgelt errechnet sich ausgehend von der festgestellten zu erwartenden Gesamt(rest)laufleistung des Fahrzeugs im Erwerbszeitpunkt, dem vereinbarten Kaufpreis und der Anzahl der vom Kläger zurückgelegten Kilometer (Kaufpreis x gefahrene Kilometer : Laufleistung = Benützungsentgelt).

OGH 21.2.2023, 10 Ob 2/23a

 

PRIVATE CLIENTS

Nicht wirksam eingerichteter Stiftungsbeirat – Unzulässigkeit einer „Wandlungsklausel“

Der Stiftungsvorstand darf nicht zu einem „bloßen Vollzugsorgan“ degradiert werden. Eine solche Degradierung ist stets unzulässig, auch wenn sie durch einen Stiftungsbeirat erfolgt, der nicht mehrheitlich mit Begünstigten besetzt ist. Der Stiftungsbeirat darf hingegen grundsätzlich „aufsichtsratsähnlich“ sein (zB Maßnahmen des Stiftungsvorstands, die an die Zustimmung des Stiftungsbeirats geknüpft werden). Wenn der Stiftungsbeirat als „aufsichtsratsähnlich“ eingerichtet wurde, darf der Stiftungsbeirat allerdings nicht mehrheitlich aus Begünstigten oder deren Angehörigen bestehen.

In der gegenständlichen Entscheidung wurde zugunsten des Stiftungsbeirats (der lediglich aus einer begünstigten Person bestand) ein umfassender Katalog von zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäften in der Stiftungsurkunde vorgesehen. Dieses Zustimmungsrecht sollte sich in ein Anhörungs- und Empfehlungsrecht wandeln, wenn und solange das vorgesehene Zustimmungsrecht gegen zwingende Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes und/oder deren Auslegung durch den OGH verstößt.

Der OGH hielt fest, dass für die zulässige Einrichtung eines Organs die grobe Umschreibung der Kompetenzen dieses Organs in der Stiftungsurkunde erforderlich ist. Durch diese „Wandlungsklausel“ ist aber fraglich, ob dem Stiftungsbeirat bloße Anhörungsrechte oder doch Zustimmungsrechte zukommen. Aus diesem Grund sei der Stiftungsbeirat nicht wirksam als Organ eingerichtet.

Sofern sich Stifter das Änderungsrecht vorbehalten haben, sollte die Stiftungsurkunde in Bezug auf die ordnungsgemäße Errichtung des Stiftungsbeirats jedenfalls überprüft und die Stiftungsurkunde gegebenenfalls an die aktuelle Rechtslage angepasst werden.

OGH 18.11.2022, 6 Ob 174/22i

Der unbekannte Vater: später Pflichtteil für außereheliche Tochter

Die Klägerin – die außereheliche Tochter des verstorbenen Erblassers – hat rund 15 Jahre nach dem Tod des Erblassers per Zufall erfahren, dass der Erblasser ihr biologischer Vater ist. Zuvor hat sie immer geglaubt, dass der Ehemann ihrer Mutter ihr biologischer Vater sei. Die im Pflichtteilsverfahren Beklagte war die eheliche Tochter des Erblassers.

Die Klägerin klagte nach der Vaterschaftsfeststellung ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch ein. Der Erblasser hat sein Vermögen, das unter anderem aus einem Schloss und mehreren Ländereien bestand, bereits zu Lebzeiten an seine ehelichen Kinder verschenkt. Der OGH musste nun entscheiden, ab wann die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu laufen beginnt, wenn die Abstammung noch nicht bekannt ist. Auf den vorliegenden Fall musste die alte Rechtslage angewendet werden, da der Erblasser vor Inkrafttreten der Erbrechtsnovelle im Jahr 2017 starb.

Der OGH entschied, dass die Pflichtteilsklage der Klägerin nicht verjährt sei, da mangels Verwandtschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblassers kein Pflichtteilsanspruch der außerehelichen Tochter bestand. Noch nicht entstandene und nicht ausübbare Rechte können nicht verjähren. Die Klägerin konnte somit ihren gesetzlichen Anteil am Vermögen ihres biologischen Vaters fordern.

Durch das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 wurden die Verjährungsfristen im Erbrecht neu und einheitlich im § 1487a ABGB geregelt. Für Verjährungen im Erbrecht gilt nun eine kenntnisabhängige kurze und eine kenntnisunabhängige lange Frist. Die kenntnisabhängige kurze Frist beträgt 3 Jahre ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen. Unabhängig von der Kenntnis verjähren erbrechtliche Ansprüche 30 Jahre nach dem Tod des Verstorbenen. Daraus folgt: Die Erben können bis zu 30 Jahre nach dem Tod des Verstorbenen noch mit Ansprüchen Dritter hinsichtlich des Erbes konfrontiert werden.

OGH 22.11.2022, 2 Ob 175/22g

Bekräftigungszusatz als Formerfordernis bei fremdhändigen letztwilligen Verfügungen

Eine fremdhändige letztwillige Verfügung ist unter anderem nur dann formwirksam, wenn sie neben der eigenhändigen Unterschrift des Erblassers auch seine eigenhändig geschriebene Bekräftigung enthält, dass es sich um seinen letzten Willen handelt (Nuncupatio). Im Rahmen des ErbRÄG 2015 wurde durch die Nuncupatio eine Maßnahme zur Fälschungssicherheit von letztwilligen Verfügungen eingeführt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit der Nuncupatio befasst.

Der Oberste Gerichtshof hielt in seiner Entscheidung 2 Ob 170/22x fest, dass die Nuncupatio objektiv betrachtet lesbar sein muss. Ist die Nuncupatio objektiv betrachtet nicht lesbar, kann nicht festgestellt werden, ob es sich bei dem Zusatz tatsächlich um eine Bestätigung des letzten Willens des Erblassers handelt. Im vorliegenden Fall bestand die Nuncupatio auf dem Testament aus zwei Wörtern, wobei das erste Wort als „Mein“ identifiziert wurde. Es steht nicht fest, ob das zweite Wort „Wunsch“ oder „Wille“ bedeuten kann oder objektiv unlesbar geschrieben ist. Nach Ansicht des OGH ist das Testament unwirksam, wenn die Bekräftigungserklärung objektiv unlesbar geschrieben ist, weil wegen Unlesbarkeit kein ausreichender Erklärungsinhalt feststellbar sei. Nach Ansicht des OGH würde eine ausreichende Bekräftigungserklärung vorliegen und das Testament wäre formwirksam, wenn das zweite Wort tatsächlich als „Wunsch“ oder „Wille“ gelesen werden hätte können.

Der OGH befasste sich in der Entscheidung 2 Ob 167/22f mit einem fremdhändigen Testament auf dem folgender handschriftlicher Bekräftigungszusatz angeführt wurde: „Das ich bleib daf ist mein Wille“. Auf Nachfrage des anwaltlichen Testamentszeugen zur Bedeutung dieses Zusatzes antwortete die Erblasserin: „Das bleibt so wie es ist, das ist mein Wille“. Der OGH hob im vorliegenden Fall hervor, dass bereits die Auslegung des Bekräftigungszusatzes anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs und der Verkehrsauffassung zur Annahme führt, dass damit eindeutig der letzte Wille schriftlich bekräftigt werden sollte.

Da die Nuncupatio ein Formerfordernis für fremdhändige letztwillige Verfügungen ist, muss bei der Errichtung einer fremdhändigen letztwilligen Verfügung besonderes Augenmerk hierauf gelegt werden.

OGH 25.10.2022, 2 Ob 167/22f, OGH 22.11.2022, 2 Ob 170/22x

 

RESTRUKTURIERUNG UND SANIERUNG | INSOLVENZ

Bindung des Insolvenzverwalters an „Anträge“ des Schuldners

Der OGH hält in seiner Entscheidung fest, dass bei einem „Miet- und Kaufoptionsvertrag“ im Falle einer Insolvenz über das Vermögen des Bestandgebers das Mietverhältnis und der Optionsvertrag getrennt zu behandeln sind. Ein solcher Mietkaufvertrag ist damit zum einen ein Gebrauchsüberlassungsvertrag, zum anderen ein Optionsvertrag und damit die Grundlage für das allfällige Entstehen eines anschließenden Kaufvertrags. In der Insolvenz können die beiden Vertragsteile daher verschiedene Schicksale treffen.

In der gegenständlichen Entscheidung schloss die Klägerin mit der Schuldnerin im Jahr 2009 einen „Miet- und Kaufoptionsvertrag“ über eine Liegenschaft, wobei ihr das Recht eingeräumt wurde, gegen eine Zahlung iHv EUR 70.000,00 die Liegenschaft bis spätestens 31. Oktober 2034 durch einseitige schriftliche Ausübungserklärung zu erwerben. Diese Zahlung wurde von der Klägerin auch geleistet.

Wenn dem Mieter eine Kaufoption nach Ablauf der Mietzeit eingeräumt wird, so ist der Mietkauf als eine zeitlich aufeinander folgende Kopplung zweier Verträge anzusehen, daher bedarf es im Falle der Insolvenz einer getrennten Betrachtungsweise des Mietverhältnisses und der Kaufoption.

Im Hinblick auf die Gebrauchsüberlassung ist § 24 IO einschlägig, der den Eintritt des Insolvenzverwalters in Bestandsverträge regelt. Es wäre unrichtig § 21 IO heranzuziehen, welcher dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zwischen Vertragsrücktritt und Vertragserfüllung gewährt, denn so bestünde die Möglichkeit, das Mietverhältnis ohne Weiteres zu beenden. Dies wäre mit der aus § 24 IO ersichtlichen Wertung und dem notwendigen Mieterschutz unvereinbar.

In Bezug auf die Kaufoption ist demgegenüber § 21 IO (und nicht wie von der Beklagten vorgebracht § 26 Abs 3 IO, wonach der Insolvenzverwalter nicht an Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen wurden, gebunden ist) maßgeblich. Wurde der Optionsvertrag bereits vollständig erfüllt, bleibt die Option e contrario § 21 Abs 1 IO aufrecht. Wird diese sodann ausgeübt, kann der Insolvenzverwalter aber analog § 21 IO von dem (durch Optionsausübung zustandegekommenen) beidseits noch nicht erfüllten Kaufvertrag zurücktreten. Allerdings können daraus Schadenersatzansprüche resultieren. § 21 IO ist diesbezüglich nur per analogiam anwendbar, weil die Regelung unmittelbar nur für Verträge gilt, welche bereits bei Insolvenzeröffnung bestehen, gegenständlich allerdings der Kaufvertrag erst mit Optionsausübung zustande kommt.

OGH 24. 11. 2022, 17 Ob 14/22s

 

STRAFRECHT | COMPLIANCE

Selbstanzeige nach § 29 FinStrG/Umfang der Offenlegungspflicht

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Beschwerdeführer insgesamt 468 Paar Schuhe im Gesamtwert von EUR 15.922,20 aus dem EU-Drittland (Schweiz) ins Gemeinschaftsgebiet der EU (Österreich) verbracht. Dabei hatte er vorschriftswidrig kein Zollverfahren in Anspruch genommen, wodurch Eingangsabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) iHv EUR 4.611,89 nicht entrichtet wurden.

Der Beschwerdeführer erstattete, nachdem er von seinem Steuerberater über die zollrechtlichen Bestimmungen aufgeklärt wurde, eine Selbstanzeige gem § 29 FinsStrG und meldete die „versehentlich“ unverzollte Einfuhr hinsichtlich der Schuhe. Der Beschwerdeführer kam im Ergebnis nicht in den Genuss der Straffreiheit des § 29 FinStrG, da er der Offenlegungspflicht nicht nachgekommen ist.

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hielt zusammenfassend die Voraussetzung der Selbstanzeige nach § 29 FinStrG fest; Straffreiheit durch Selbstanzeige tritt nur dann ein, wenn die zur Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände ohne Verzug offengelegt werden und der Verkürzungsbetrag ohne Verzug entrichtet wird. Die Selbstanzeigehandlung besteht demnach darin, dass der Anzeiger, die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offenlegt. Der Begriff „Offenlegen“ ist iSd § 119 BAO zu verstehen und bedeutet ein umfassendes Aufklären sowie rückhaltloses Offenbaren der abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsachen, deren Kenntnis für eine der Wahrheit entsprechende Abgabenerhebung bedeutsam und erforderlich ist. Die Behörde muss durch wahrheitsgemäße Angaben und die vorgelegten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Abgaben ohne langwierige eigene Ermittlungen zum Sachverhalt so festzusetzen, als wären die für die Verzollung erforderlichen Unterlagen von vornherein ordnungsgemäß abgegeben worden.

Nach Feststellungen des BFG mussten die Mitarbeiter des Zollamtes umfangreiche Nachforschungen über die Materialien und die prozentuelle Zusammensetzung der Komponente der Schuhe tätigen, um die korrekte Verzollung in einem zweiten Schritt vornehmen zu können. Somit wurden die Anforderungen an eine Offenlegung gem § 29 Abs 2 FinStrG nicht erfüllt und die Selbstanzeige konnte daher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine strafbefreiende Wirkung entfalten.

BFG 18. 10. 2022, RV/1300008/2015

 

UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT

Ersatzpflicht des Auftraggebers bei COVID-19-bedingten Mehrkosten bei Anwendung der ÖNORM B 2110

In der Schlussrechnung für ein Bauvorhaben macht die klagende Werkunternehmerin Forderungen für aus der COVID-19-Pandemie resultierende Mehrkosten im Zusammenhang mit der Ausführung des Bauvorhabens geltend (hier: Masken, Desinfektionsmittel, Unterkunftsrechnungen). Die Parteien haben die Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 vereinbart, die unter Punkt 7.2.1 der Sphäre des Auftraggebers unter anderem Ereignisse zuordnet, wenn diese zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom Auftragnehmer nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind.

Die Folgen der COVID-19-Pandemie bei Anwendung der ÖNORM B 2110 sind lt OGH grundsätzlich der Sphäre des Auftraggebers zugewiesen. Die Werkunternehmerin ist daher grundsätzlich berechtigt, den Ersatz von COVID-19-bedingten Mehrkosten von der Auftraggeberin zu verlangen.

Es sind auf der Grundlage des § 1168 Abs 1 S 2 ABGB für die erfolgreiche Geltendmachung von Mehrkostenforderungen die Behauptung und der Beweis von konkret entstandenen Mehrkosten erforderlich. Punkt 7.4.1 Abs 2 der ÖNORM B 2110 setzt die Vorlage der Mehrkostenforderung „in prüffähiger Form“ voraus. Die Stellung der Mehrkostenforderung nur anhand von auf einem Gutachten basierenden (abstrakten) Berechnungen ist für eine „Prüffähigkeit“ der Forderungen nicht ausreichend.

OGH 21.12.2022, 6 Ob 136/22a

 

DATENSCHUTZ

Datenübermittlung in die USA

Die Datenschutzbehörde hat in ihrer Entscheidung vom 06. März 2023 (nicht rechtskräftig) festgehalten, dass die Einbindung des Facebook Tracking Pixels gegen die DSGVO verstößt. Die Datenschutzbehörde sieht vor allem die allgemeinen Grundsätze der Datenübermittlung gemäß Artikel 44 DSGVO verletzt, da über die Tracking-Technologie persönliche Nutzerinformationen an die Zentrale des Facebook-Mutterkonzerns Meta in den USA weitergegeben werden.

Daraus ergibt sich, dass die von Meta bereitgestellten Tools „Facebook Login“ und „Meta Pixel“ nicht rechtskonform, unter Berufung auf den „Privacy Shield“ verwendet werden können, weil bei deren Nutzung unweigerlich Daten in die USA übertragen werden, wo die Daten von Geheimdiensten angefordert werden können. Diesem Bescheid der Datenschutzbehörde liegt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Sommer 2020 („Schrems II“) mit dem dieser den transatlantischen „Privacy Shield“ und damit eine der wichtigsten Grundlagen für den Transfer von Kundendaten in die USA für ungültig erklärte zu Grunde.

Wie können Daten rechtskonform in die USA übermittelt werden?
Die Datenübermittlung in die USA ist demnach nur zulässig, wenn ein Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vorliegt; Standarddatenschutzklauseln abgeschlossen wurden; verbindliche interne Datenschutzvorschriften vorliegen oder die Übermittlung aufgrund von Urteilen oder Entscheidungen von Verwaltungsbehörden für zulässig erklärt wurde.
Als Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung in die USA kommt auch die Einwilligung gemäß Art 49 DSGVO in Betracht. Hierbei verbleibt dennoch ein gewisses Risiko, welches durch den Umstieg auf europäische Dienstleister reduziert werden könnte.

DSB D155.028 2022-0.726.643

Autor:innen

  • Johannes Edthaler
    Rechtsanwalt | Partner
  • Christina Hödlmayr
    Rechtsanwältin | Partnerin

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