Legal News Jänner 2025
Newsletter – 09.01.2025
Es freut uns, Ihnen nachfolgend unsere Legal News für Jänner 2025 zur Verfügung zu stellen.
Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst:
- Arbeitsrecht
- Gesellschaftsrecht
- Immobilienrecht
- Litigation
- Private Clients
- Restrukturierung und Sanierung | Insolvenz
- Strafrecht | Compliance
- Unternehmens- und Vertragsrecht
- Datenschutz
- Wettbewerbsrecht
ARBEITSRECHT
„Houdini-Kündigung“ der Generation Z
Die Generation Z sucht oft nach Arbeitsplätzen, die nicht nur finanziell, sondern auch kulturell und emotional erfüllend sind. Kommen diese Erwartungen nicht zum Tragen, entscheiden sich manche Mitarbeitende abrupt dafür, das Arbeitsverhältnis zu beenden – ohne sich an die üblichen Kündigungsformalitäten zu halten. Dies geschieht häufig durch wortloses Fernbleiben oder den Abbruch der Kommunikation.
Die sogenannte „Houdini-Kündigung“ beschreibt genau jenes Phänomen, bei dem Mitarbeitende, meist jüngerer Generationen, ohne Vorwarnung ihren Arbeitsplatz verlassen und nicht mehr zurückkehren. Dieses Verhalten stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen – rechtlich und organisatorisch. Rechtlich stellt dieses Verhalten eine Grauzone dar. Schweigen allein wird im Arbeitsrecht nicht als Kündigung interpretiert, doch das anhaltende Fernbleiben kann als unberechtigter Austritt oder konkludente Kündigung gewertet werden. Diese Unsicherheit birgt Risiken für Arbeitgeber: Wird das Verhalten falsch interpretiert, könnten kostspielige Entschädigungsansprüche oder langwierige juristische Auseinandersetzungen folgen.
Praxistipps für Arbeitgeber:
- Arbeitsaufforderung senden: Fordern Sie den Mitarbeitenden schriftlich und nachweisbar zur Rückkehr auf.
- Adressaktualität sicherstellen: Achten Sie darauf, dass Mitarbeitende ihre Adressdaten aktuell halten, um wichtige Schreiben zustellen zu können.
- Gehaltsstopp: Setzen Sie die Gehaltszahlung aus, wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird.
- Entlassung prüfen: Bleibt die Person trotz mehrfacher Aufforderungen fern, kann dies ein Entlassungsgrund sein.
Fazit:
Für die rechtliche Absicherung ist es entscheidend, den Dialog zu suchen und alle Reaktionen der betroffenen Person nachvollziehbar zu dokumentieren. Gleichzeitig sollte der rechtliche Rahmen, etwa in Bezug auf Kündigungsfristen und Entlassungsgründe, sorgfältig eingehalten werden, um kostspielige Fehlinterpretationen zu vermeiden.
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Arbeitsrecht
ARD 6925/4/2024
GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT
Abberufung eines Vorstandsmitglieds auf Druck Dritter, Entlassung
Der OGH befasste sich in vorliegender Entscheidung mit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer AG aufgrund des Verlangens Dritter und einer damit verbundenen potenziellen Druckentlassung bzw Druckkündigung.
Der Bestellung des Vorstandsmitglieds gingen politische Interventionen des damaligen Vizekanzlers voraus, die dem Kläger bekannt waren und er in einer Stellungnahme nicht offenlegte – stattdessen hielt er in dieser fest, dass ihm politische Absprachen iVm seiner Bestellung nicht bekannt seien. Das Aufkommen dieses Umstandes löste (negative) Medienberichterstattungen und Unruhen im Unternehmen der Beklagten aus. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss folgend die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung (§ 75 Abs 4 AktG) und die Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung wegen grober Pflichtverletzung, schwerer Imageschädigung und Reputationsverlust (§ 75 Abs 4 AktG, § 27 AngG analog).
Der Kläger begehrte eine Kündigungsentschädigung. Unter anderem liege in der Stellungnahme keine grobe Pflichtverletzung. Die Beklagte entgegnete, dass das Verschweigen des politischen Hintergrunds in der Stellungnahme eine grobe Pflichtverletzung sei, die zum Vertrauensverlust geführt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Stellungnahme sei dem Kläger als „mangelhafte Offenheit“ anzulasten und der Abberufungsgrund habe zudem einen Entlassungstatbestand verwirklicht. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
Der OGH wies die Revision des Klägers ab. Zur groben Pflichtverletzung zählt auch die mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat. Der Kläger wusste, wer in seinen Bewerbungsprozess involviert war und dass seine Parteizugehörigkeit ausschlaggebend für die Unterstützung war. Die mangelnde Offenheit eines Vorstandsmitglieds gegenüber dem Aufsichtsrat ist eine Verletzung der Vorstandspflicht: Der Aufsichtsrat ist gemäß § 95 Abs 2 AktG berechtigt, jederzeit vom Vorstand einen Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen. Den Vorstand trifft von sich aus eine vollständige Berichtspflicht, wenn die Zuständigkeit des Aufsichtsrats berührt wird. Welche Informationen relevant sind, liegt im Ermessen des Aufsichtsrats. Der Vorstand kann den Bericht nicht mit der Behauptung ablehnen, dass der abgefragte Gegenstand aus seiner Sicht nichts mit der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zu tun habe. Da dem Aufsichtsrat die Personalhoheit über den Vorstand zukommt, sind die Umstände anlässlich der Bestellung zum Vorstandsmitglied von dessen Auskunftspflicht erfasst. Ein pflichtbewusst und redlich handelndes Vorstandsmitglied musste erkennen, dass es in einer solchen Situation verpflichtet ist, den diesbezüglichen Kenntnisstand offenzulegen.
Der Kläger machte sich daher gegenüber dem Aufsichtsrat einer groben Pflichtverletzung schuldig, wodurch der Abberufungsgrund des § 75 Abs 4 AktG verwirklicht war. Da dieser als eigenständiger Entlassungsgrund im Vorstandsvertrag definiert wurde, war dies ein ausreichender Grund für die vorzeitige Auflösung des freien Dienstvertrages.
OGH 20.12.2023, 6 Ob 47/23i
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Gesellschafts-und Konzernrecht
IMMOBILIENRECHT
Benützungsentgelt für das Überschwenken einer Liegenschaft durch einen Kran
In diesem Judikat setzte sich der OGH mit der Frage auseinander, ob und in welcher Höhe einem Liegenschaftseigentümer, dessen Liegenschaft teilweise von einem Kran einer Bauunternehmerin wegen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück überschwenkt wird, ein Benützungsentgelt bzw. Schadenersatz zusteht. Ferner wurde der Kran durch die beklagte Bauunternehmerin beleuchtet, woraus eine Beleuchtung des Innenhofes und der Fenster der Kläger, die in Richtung Baustelle ausgerichtet waren, resultierte. Seitens der Baubehörde gab es keinen rechtskräftigen Bescheid im Sinne des § 123 Abs 3 erster Satz Bauordnung für Wien, der der Bauunternehmerin das Überschwenken der Liegenschaft der Kläger gestattet hätte. Die Kläger begehrten EUR 21.700,00 an Benützungsentgelt bzw. Schadenersatz. Einen materiellen Schaden erlitten sie nicht, der OGH stellte vielmehr klar, dass eine Minderung der Wohn- und Lebensqualität einen immateriellen Schaden darstellt, der mangels gesetzlicher Anordnung nicht ersatzfähig ist. Er bestätigte jedoch die rechtliche Ansicht der Vorinstanzen, dass den Klägern ein angemessenes Benützungsentgelt in Höhe von EUR 2.100,00, welches sich konkret immer nach dem Einzelfall bemisst, zusteht.
Praxistipp:
Mit anderen Nachbarn hatte sich die Bauunternehmerin bereits vorab geeinigt, manche akzeptierten die unentgeltliche Benutzung des Luftraumes über ihrer Liegenschaft, andere handelten ein pauschales oder monatliches Entgelt aus. Man sollte sich – sowohl als Anrainer einer Baustelle, als auch als Bauunternehmer – dieser Möglichkeit bewusst sein und vorab eine entsprechende Einigung erzielen, um sich ein Gerichtsverfahren zu ersparen.
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Immobilienrecht
LITIGATION
Keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung bei mehreren kollidierenden Gerichtsstandsklauseln
Eine österreichische, im Baugewerbe tätige Generalunternehmerin hatte mit einer deutschen Subunternehmerin einen Subunternehmervertrag für ein Bauvorhaben in Deutschland abgeschlossen. In dieser als „Hauptvertrag“ bezeichneten Vereinbarung wurde – zwar an mehreren Stellen, aber dennoch eindeutig – der Ort der Erfüllung (hier: Deutschland) als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart. Später erweiterten die Parteien den Auftrag um weitere „Zusatzaufträge“, die jeweils als ausschließlichen Gerichtsstand „Linz“ vorsahen. Die Parteien waren sich einig, dass insgesamt ein einziger, einheitlicher Werkvertrag vorliegt.
Wegen Vertragsverletzungen brachte die österreichische Generalunternehmerin Klage beim Landesgericht Linz gegen die Subunternehmerin ein und berief sich auf die in den Zusatzaufträgen enthaltene („Linzer“) Gerichtsstandvereinbarung.
Die Subunternehmerin wandte die internationale Unzuständigkeit des Landesgerichts Linz ein und bekam schließlich auch vor dem OGH Recht. Der OGH sah in allen vier (!) zwischen den Parteien geschlossenen ausschließlichen Gerichtsstandsklauseln – isoliert betrachtet – jeweils gültige Gerichtsstandsvereinbarungen. Diese kollidieren aber inhaltlich miteinander.
Bei einem einheitlichen Vertragswerk lässt sich ein solcher Widerspruch nicht auflösen. Im Ergebnis liegt daher überhaupt keine wirksame Vereinbarung vor.
Weil keine gültige Gerichtsstandsvereinbarung vorlag, war Deutschland zuständig, sodass die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zurückgewiesen wurde.
Praxistipp:
Im B2B-Bereich spielt die Wahl des ausschließlichen Gerichtsstands in rechtlicher und praktischer Hinsicht eine wichtige Rolle. Ein Gerichtsstand in örtlicher Nähe zum eigenen Unternehmenssitz oder zum Sitz der ständigen Rechtsvertretung kann nicht nur einen „Heimvorteil“ bewirken, sondern auch zu Einsparnissen von Kosten und Zeit führen. Bei der Formulierung von Gerichtsstandsvereinbarungen ist dennoch Vorsicht geboten: Es gilt – wie so oft – Qualität vor Quantität.
OGH 23.9.24, 7 Ob 116/24w
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Litigation
PRIVATE CLIENTS
Erfordernis einer Spezialvollmacht für Änderungen der Stiftungserklärung durch einen Bevollmächtigten
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte in dieser Entscheidung zu beurteilen, ob für die Änderung einer Stiftungserklärung durch eine bevollmächtigte Person eine Spezialvollmacht erforderlich ist.
Ausgangssituation: Der Stiftungsvorstand beantragte die Eintragung von Änderungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde. Der Stifter hatte seinem Sohn eine umfassende Vollmacht erteilt, um die Änderungen im Namen des Stifters vorzunehmen. Diese Vollmacht ermächtigte den Sohn zur Änderung der Stiftungsurkunde und nahm Bezug auf die Bestimmungen zum Änderungsrecht in der Stiftungsurkunde und den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.
Entscheidung des OGH: Gemäß § 1008 Satz 2 ABGB ist für bestimmte, besonders bedeutsame Geschäfte eine Spezialvollmacht erforderlich. Der OGH sieht eine solche Spezialvollmacht auch bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung für Änderungen der Stiftungserklärung als notwendig an. Die Änderung der Stiftungserklärung stellt eine ähnlich gewichtige und für den Stifter möglicherweise riskante Entscheidung dar wie die Errichtung der Privatstiftung selbst.
Der OGH hat festgestellt, dass es nicht ausreicht, wenn die Vollmacht auf das Gesetz und die Stiftungsurkunde verweist. Stattdessen muss das beabsichtigte Rechtsgeschäft klar und konkret benannt werden, um entsprechend individualisierbar zu sein, anstatt das Geschäft nur „abstrakt“ unter Verweis auf das Änderungsrecht zu nennen.
Praxistipp:
Stifter sollten beachten, dass die Anforderungen an eine Spezialvollmacht hoch sind und die Formulierung einer entsprechenden Rechtskunde bedarf. Es sollte das beabsichtigte Rechtsgeschäft, für welches die Vollmacht erteilt wird, möglichst genau konkretisiert werden. Eine General- oder Gattungsvollmacht reicht für eine Änderung oder Neufassung der Stiftungserklärung nicht aus.
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Private Clients
RESTRUKTURIERUNG UND SANIERUNG | INSOLVENZ
Veräußerung durch den Masseverwalter – Anwendung des Gewährleistungsrechts
In der vorliegenden Entscheidung musste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage beschäftigen, ob bei einer freihändigen Veräußerung einer Liegenschaft durch den Masseverwalter die Gewährleistungsbestimmungen des ABGB anzuwenden sind. Bei der freihändigen Veräußerung erfolgt der Verkauf außerhalb eines förmlichen Verfahrens, wie bspw einer gerichtlichen Versteigerung, direkt zwischen den Parteien. Insbesondere in der Lehre wurde diesbezüglich die Meinung vertreten, dass der gesetzliche Gewährleistungsausschluss, welcher im Exekutionsverfahren vorgesehen ist, auch im Insolvenzverfahren zur Anwendung kommt.
Gegenständlich kam es im Schuldenregulierungsverfahren durch den Masseverwalter zum freihändigen Verkauf einer Liegenschaft des Schuldners zum Preis von EUR 1.551.000,00 an den Erwerber. Auf dieser Liegenschaft haftete simultan eine Höchstbetragshypothek einer Bank iHv EUR 2.220.000,00. Im Verteilungsverfahren meldete neben der Pfandgläubigerin auch der Erwerber eine Forderung iHv EUR 61.836,00 an, weil in der Zeit zwischen Schätzung und Übergabe Schäden an der veräußerten Liegenschaft eingetreten waren. Der OGH hat hierzu festgehalten: Die außergerichtliche Verwertung einer mit Absonderungsrechten belasteten Sondermasse im Insolvenzverfahren ist stark dem Zwangsversteigerungsverfahren angenähert. Die Veräußerung erfolgt aber nicht durch einen staatlichen Hoheitsakt, sondern im Wege eines privaten Rechtsgeschäfts. Vertragspartner beim Kauf aus der Masse ist nicht der Insolvenzverwalter, sondern der von ihm vertretene Schuldner. Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass das Leistungsstörungsrecht des ABGB auf die außergerichtliche Verwertung einer Sondermasse im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anzuwenden ist. Dem Erwerber stehen daher im Falle des Vorliegens eines Mangels die gesetzlichen Gewährleistungsbehelfe – Verbesserung, Austausch, Preisminderung und Wandlung – zu.
Fazit:
Eine freihändige Veräußerung durch den Insolvenzverwalter ist ein privates Rechtsgeschäft, auf welches die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen anzuwenden sind. Der OGH stellte auch klar, dass es sich bei den Gewährleistungsansprüchen des Erwerbers um Sondermasseforderungen handelt, welche vom Erwerber angemeldet werden müssen.
OGH 8 Ob 130/23k = ZIK 2024/164 (Konecny)
STRAFRECHT | COMPLIANCE
Greenwashing von Finanzprodukten aus betrugsstrafrechtlicher Sicht
Greenwashing im Finanzsektor hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Um das Interesse von (immer umweltbewusster agierenden) Anlegern zu wecken, wird bei Finanzprodukten vermehrt der Eindruck erweckt, dass diese ökologisch nachhaltig sind, obwohl Nachhaltigkeitseigenschaften des Produktes bei Kenntnis der wahren Sachlage zumindest in Abrede gestellt werden können. Fraglich ist, ob beim „Grünfärben“ von Finanzprodukten eine Strafbarkeit wegen Betruges, also eine Täuschung über Tatsachen, die zu einer Vermögensverfügung führt, wodurch es zu einem Vermögensschaden kommt, vorliegen kann.
Durch den von der EU verfolgten Aktionsplan „Sustainable Finance“ wurden eine Reihe von Rechtsakten eingeführt, die den Begriff Nachhaltigkeit greifbarer machen und Finanzmarktteilnehmern umfassende Transparenzpflichten auferlegen. Aus betrugsstrafrechtlicher Sicht werden hierdurch bisher bestehende Unschärfen zum Tatsachenbegriff und der Täuschung weitgehend beseitigt. Sofern die Nachhaltigkeitsinformation für die Klassifikation des Finanzproduktes wichtig ist, wird wohl auch der Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung bestehen. Im Hinblick auf einen etwaig eingetretenen Vermögensschaden kommt es darauf an, ob der Kaufpreis den Marktwert des Finanzproduktes übersteigt. Von einem Vermögensschaden wäre etwa auszugehen, wenn für das Finanzprodukt zur Abgeltung des Nachhaltigkeitsmanagements höhere Gebühren eingehoben werden, obwohl es sich in Wahrheit um kein grünes Investment handelt.
Fazit:
Greenwashing von Finanzprodukten kann bei Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale zu einer Strafbarkeit wegen Betrugs führen. Neben drohenden wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen und zivilrechtlichen Haftungsrisiken steht damit auch die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens im Raum.
ZWF 2024/6
UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT
Keine Wertsicherung mit Baukostenindex bei Wohnungsmiete im B2C-Bereich
In diesem Fall hatte der OGH zu klären, ob Wertsicherungsklauseln in Wohnungsmietverträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern an den Baukostenindex angeknüpft werden können.
Der OGH hielt fest, dass im Anwendungsbereich des KSchG die vereinbarten Wertsicherungsparameter einen sachlich engen Bezug zur Preiskalkulation des Vermieters aufweisen muss. „Zufallsgewinne“ zugunsten einer Vertragspartei sollten damit ehestmöglich vermieden werden.
Das Argument der Vermieterin, dass der Baukostenindex die Kostenstruktur des unternehmerischen Vermieters jedenfalls deutlich besser abbilde als der VPI („zu verwässert“), lehnte der OGH ab.
Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Baukostenindex nur einen Bruchteil der maßgeblichen Kostenfaktoren unternehmerischer Vermieter abbildet. Die laufenden Kosten sind dagegen viel gewichtiger. Der Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwand für das Mietobjekt fällt typischerweise nicht fortlaufend und gleichmäßig während des laufenden Mietverhältnisses an, vor allem nicht bei befristeten Mietverhältnissen oder Erstbezügen. Errichtungskosten werden üblicherweise bereits im ursprünglichen Mietzins miteinkalkuliert. Die Anknüpfung an den Baukostenindex ist daher sachlich nicht gerechtfertigt und folglich die gesamte Klausel unwirksam.
Die Anknüpfung an den VPI findet dagegen sachliche Rechtfertigung, weil gerade das Abstellen auf die allgemeine Inflation dem legitimen Bedürfnis des unternehmerischen Vermieters, das Entgelt für seine Leistung an die tatsächliche Geldwertveränderung anzupassen, entspricht.
Praxistipp:
Es empfiehlt sich, Wertsicherungsklauseln in Mietvertragsformblättern im B2C-Bereich an den VPI anzuknüpfen. Andernfalls drohen nicht nur Verbandsklagen auf Unterlassung und (kostspielige) Urteilsveröffentlichung, sondern auch die Unwirksamkeit der gesamten Klausel und die laufende Entwertung des Mietzinses zulasten des Vermieters.
OGH 10.9.2024, 10 Ob 23/24s
DATENSCHUTZ
Entschuldigung als Ersatz des immateriellen Schadens
Der Europäische Gerichtshof hatte sich aufgrund eines lettischen Vorabentscheidungsersuchen mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Entschuldigung als Ersatz des immateriellen Schadens bei einem Datenschutzverstoß in Frage komme.
Der EuGH hat hierzu festgehalten: Die DSGVO enthält keine Bestimmung, die Regeln für die Bemessung des Schadenersatzes festlegt, den aufgrund der DSGVO geschuldeten Schadenersatz, haben die nationalen Gerichte nach den innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung zu ermitteln, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden. Der EuGH kam zum Ergebnis, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass eine Entschuldigung einen angemessenen Ersatz eines immateriellen Schadens auf der Grundlage dieser Bestimmung darstellen kann, insbesondere, wenn es nicht möglich ist, die Lage vor dem Eintritt des Schadens wiederherzustellen, sofern diese Form des Schadenersatzes geeignet ist, den der betroffenen Person entstandenen Schaden in vollem Umfang auszugleichen.
Fazit:
Festzuhalten ist, dass sich auch der Schadenersatz nach der DSGVO nach den innerstaatlichen Grundsätzen bemisst. Gegenständlich sieht das lettische Gesetz ganz allgemein vor, dass eine Entschuldigung einen ausreichenden Schadenersatz darstellen kann. Auf österreichische Sachverhalte wird sich diese Rechtsprechung nicht auswirken, da der österreichische Gesetzgeber die Entschuldigung nicht als Form des Schadenersatzes vorsieht.
EuGH 4.10.2024, C-507/23
WETTBEWERBSRECHT
Auch nachträgliche Genehmigung eines Zusammenschlusses schützt nicht vor Geldbuße
Werden Zusammenschlüsse von Unternehmen trotz vorliegender Anmeldepflicht verspätet bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) angemeldet, kann das Kartellgericht (KG) wegen Verstoß gegen das Durchführungsverbot eine Geldbuße verhängen. So geschehen zuletzt gegen die Lenzing AG ua, im Zuge einer Joint Venture Gründung.
Ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss darf erst „durchgeführt“ werden, wenn dieser vor Vollzug von der BWB genehmigt wurde. Im vorliegenden Fall war die zentrale Frage, wann der Zusammenschluss „durchgeführt“ wurde – denn vor der Anmeldung an die BWB gilt ein Vollzugsverbot. Das KG hob hervor, dass Handlungen zur Planung und Ausarbeitung der gemeinsamen Geschäftspolitik bereits ausreichen, dass ein Zusammenschluss als „vollzogen“ gilt. Eine Rolle spielen hierbei die Marktpräsenz, eingesetztes Management, ausreichende Ressourcen. Im vorliegenden Fall wurden bereits ab Mitte 2020 verschiedene Vorbereitungshandlungen getätigt und das Joint Venture mit einer Pressemitteilung am Markt vorgestellt. Diese Pressemitteilung war für das Kartellgericht entscheidend: Spätestens mit einer Pressemitteilung ist von einem vollfunktionsfähigen Unternehmen auszugehen, weil es dann vom Markt als solches wahrgenommen wird.
Die (nachträgliche) Anmeldung wurde zwar nicht untersagt. Aber, die Anmeldung erfolgte erst nach Durchführung und es wurde daher wegen Verstoß gegen das Durchführungsverbot für die Dauer von 32 Tagen eine Geldbuße von EUR 75.000,00 verhängt.
Fazit:
Die Entscheidung zeigt:
- Vor Unternehmenstransaktionen ist eine etwaige Anmeldepflicht bei der BWB kritisch zu prüfen und die Einholung einer rechtlichen Expertise anzuraten. Eine „nachträgliche“ Anmeldung schließt die Verhängung einer Geldbuße nicht aus.
- Tritt ein Unternehmen mit ihrem Vorhaben vor die Presse, sollte keinesfalls der Anschein erweckt werden, dass der Zusammenschluss bereits vollzogen wurde. Daher sollte unbedingt ein entsprechender Hinweis auf noch ausstehende Genehmigungen erfolgen.
OLG Wien, 10.9.2024, 28 Kt 2/24i und BWB/Z-4887
Autor:innen
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Johannes EdthalerRechtsanwalt | PartnerDetails zur Person
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Christina HödlmayrRechtsanwältin | PartnerinDetails zur Person