Legal News Juni 2024
Newsletter – 28.06.2024
Es freut uns, Ihnen nachfolgend unsere Legal News für Juni 2024 zur Verfügung zu stellen.
Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst:
ARBEITSRECHT
Beweislastverteilung beim Motivkündigungsschutz
Aufgrund der Umsetzung zahlreicher europäischer Richtlinien in nationales Recht und durch die Erweiterung der geschützten Tatbestände gewinnt der Motivkündigungsschutz zunehmend an Bedeutung. Von einer Motivkündigung spricht man, wenn jemand aus einem verpönten Grund gekündigt wird. Diese Gründe sind zB im Arbeitsverfassungsgesetz, im Mutterschutzgesetz, im Väterkarenzgesetz, im Behinderteneinstellungsgesetz und im Gleichbehandlungsgesetz festgelegt. Wenn der Arbeitnehmer vor Gericht überzeugend darlegen kann, dass eine Motivkündigung vorliegt, wird die Kündigung für ungültig erklärt und aufgehoben.
Die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers wird insofern eingeschränkt, als der Kündigung kein verpöntes Motiv zugrunde liegen darf. Da die Kündigungsmotive des Arbeitgebers oft schwer nachweisbar sind, erhält der Arbeitnehmer den Vorteil, dass er die Wahrscheinlichkeit eines verpönten Motivs lediglich glaubhaft machen muss. Gelingt dies, muss der Arbeitgeber im Gegenzug ein alternatives, nicht verpöntes Motiv für die Kündigung glaubhaft machen (können). Sofern beide Seiten ihre Motive glaubhaft machen, entscheidet die höhere Wahrscheinlichkeit eines dieser Motive über den Ausgang des Verfahrens.
Fazit und Praxistipp:
Der zunehmende Schutz vor Kündigungen aus verpönten Motiven stellt Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. In der Praxis ist schwierig, dass letztendlich das Gericht über die Beweise entscheidet und der Ausgang des Verfahrens schwer vorhersehbar ist. Vor dem Hintergrund eines etwaigen Beweisverfahrens vor Gericht ist es besonders wichtig, dass Arbeitgeber potenzielle Kündigungsgründe bereits im laufenden Dienstverhältnis sorgfältig dokumentieren, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein.
GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT
Anwendungsbereiche der FlexCo – Unternehmenswertanteile
Die Gesetzesgrundlage der FlexCo schafft Raum für die neue Anteilsform der Unternehmenswert-Anteile (UWA). Diese sind nicht nur für Mitarbeiterbeteiligungen geeignet, sondern bieten auch neue Chancen Investoren an Board zu holen.
Kurzcharakteristik der UWA:
- Anteile, die eine Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ermöglichen, dem Anteilsinhaber aber kein Stimm- oder Anfechtungsrecht in der Generalversammlung gewähren
- Einräumung des Rechts UWA auszugeben erfolgt im Gesellschaftsvertrag (wir nehmen die Klausel daher bei Gründung auf, sie kann auch nachträglich hinzugefügt werden)
- Erwerb räumt keine Gesellschafterstellung ein, sondern bloß den Status als Anteilsinhaber (Willensbildung der Gesellschaft bleibt fest in der Hand der Gesellschafter)
- Ausgabe kann im Ausmaß von unter 25 % des Stammkapitals erfolgen (geringste Stammeinlage und Mindestnennbetrag 1 Cent)
- Keine Eintragung der Anteilsinhaber im Firmenbuch (keine Eintragung von Namen sondern nur in welcher Höhe UWA bestehen)
- Übertragung der UWA erfolgt schriftlich, jedoch ohne Notariatsakt (durch zB Kauf- oder Tauschvertrag)
UWA eignen sich in der Praxis für:
- Projektfinanzierung im Immobilienbereich (für Finanzinvestoren, die reine Geldgeber sein möchten und sich nicht in das operative Tagesgeschäft einbringen wollen)
- Unternehmensakquisition (für die Fremdfinanzierung über ein Darlehen hinaus)
- Familienholding (Sicherung des Gesellschafterkreises unter Berücksichtigung der Einflussrechte)
- Laufenden Geschäftsbetrieb (Geldspritze in schwierigen Zeiten durch Familie/Bekannte ohne Einfluss zu verlieren)
IMMOBILIENRECHT
Begehren eines erhöhten Mietzinses aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung
Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Mietvertrag enthielt eine Wertsicherungsvereinbarung, deren Ausgangsbasis der Verbraucherpreisindex 1986 war. Die Vermieterin begehrte von der Mieterin einen erhöhten Mietzins und berief sich dabei auf den Verbraucherpreisindex 2010.
Der OGH bestätigte die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung: Die in § 16 Abs 8 iVm Abs 9 enthaltende 3-jährige Präklusivfrist, binnen welcher die Unwirksamkeit eines erhöhten Hauptmietzinses aufgrund einer Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung geltend gemacht werden muss, ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil ein Erhöhungsbegehren des Vermieters, welches auf einem nicht vereinbarten Index und somit auch auf falschen Terminen basiert, unbeachtlich ist.
Praxistipp:
Als Vermieter eines Mietgegenstandes, der in den Vollanwendungsbereich des MRG fällt, sollte man vor der Verfassung des Schreibens, aus dem das Erhöhungsbegehren hervorgeht, unbedingt einen Blick in die Wertsicherungsklausel des gegenständlichen Mietvertrages werfen. Nur so kann man das Erhöhungsbegehren zuverlässig auf den konkret vereinbarten Verbraucherpreisindex und in weiterer Folge auf die korrekten Indextermine stützen.
Wenn man den falschen Index heranzieht, kommt die oben erörterte Präklusivfrist nicht zur Anwendung. Sollte man später den Mieter auf Zahlung des erhöhten Mietzinses klagen, kann dieser einwenden, dass er den erhöhten Mietzins nicht binnen 3 Jahren ab Zeitpunkt des Erhöhungsbegehrens beanstanden musste, weil diese Präklusivfrist wegen der Unbeachtlichkeit des Erhöhungsbegehrens nicht anwendbar war. Somit kann der Mieter auch später noch Einwendungen gegen die Erhöhung erheben.
OGH 22.3.2024, 8 Ob 23/24a
PRIVATE CLIENTS
Die Grenzen des subsidiären Änderungsrechtes des Stiftungsvorstandes:
Begünstigte in der gegenständlichen Privatstiftung waren der Bruder und die Schwester. Die beiden Geschwister waren zudem auch Mitglieder des Stiftungsbeirats; das Änderungsrecht der Stifter ging mit dem Ableben des Vaters unter. Nachdem über das Vermögen der Schwester das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gab der Insolvenzverwalter im Namen der Schwester eine Verzichtserklärung auf ihre Begünstigtenstellung ab.
Der Stiftungsvorstand hat in weiterer Folge die Stiftungserklärung dahingehend geändert, dass die Schwester als Begünstigte und Mitglied des Stiftungsbeirats aus der Stiftungserklärung gestrichen wird. Der OGH bestätigte die Genehmigung der Streichung der Begünstigtenstellung der Schwester. Der OGH beschäftigte sich weiters mit der Frage, ob hinsichtlich der Beiratsmitgliedschaft der Schwester geänderte Verhältnisse vorliegen, die zu einer Änderung der Stiftungserklärung durch den Stiftungsvorstand berechtigen. Eine Änderung der Stiftungserklärung durch den Stiftungsvorstand ist nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und unter Wahrung des Stiftungszwecks zulässig.
Damit „geänderte Verhältnisse“ angenommen werden können, muss die Umsetzung des Stifterwillens nach der ursprünglichen Stiftungserklärung vernünftigerweise nicht mehr verwirklicht werden können, oder es muss anzunehmen sein, dass der Stifter unter den geänderten Umständen eine andere Regelung getroffen hätte. Der OGH argumentierte, dass die Stiftungsurkunde Bestimmungen betreffend dem Ausscheiden einer Person aus dem Begünstigtenkreis und der Beiratsmitgliedschaft der Stifter enthält. Ein mögliches Auseinanderfallen von (nicht mehr aufrechter) Begünstigtenstellung und (aufrechter) Stifterstellung ist in der Stiftungsurkunde somit nicht unbedacht geblieben. Daher lagen nach Ansicht des OGH trotz Ausscheidens der Schwester aus dem Begünstigtenkreis keine geänderten Umstände vor, die zu einer Änderung der Stiftungsurkunde berechtigen würden (das heißt Streichung Beiratsmitgliedschaft der Schwester).
Die Ausübung des subsidiären Änderungsrechtes durch den Stiftungsvorstand ist daher nur in sehr eingeschränktem Rahmen möglich. Solange das Änderungsrecht durch Stifter ausgeübt werden kann, sollten daher sämtliche stiftungsbeteiligten Personen die Stiftungserklärung einer regelmäßigen Überprüfung unterziehen, damit die Stiftungserklärung an die jeweiligen Umstände der Stifterfamilie angepasst werden kann.
OGH 17.01.2024, 6 Ob 40/23k
Schenkungen an zukünftige Ehepartner – Anrechnung auf den Pflichtteil?
Viele Personen unterliegen dem Irrglauben, dass sich der Pflichtteilsanspruch einer berechtigten Person (sohin Ehegatte und Nachkommen) lediglich von jenen Vermögenswerten berechnet, welche im Ablebenszeitpunkt noch im Eigentum des Verstorbenen stehen (die „Verlassenschaft“) und daher tatsächlich vorhanden sind. Doch sind Schenkungen zu Lebzeiten des Verstorbenen für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen (sogenannten „Hinzu- und Anrechnung“).
Vorweg ist festzuhalten, dass Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen unbefristet zu berücksichtigen sind, währenddessen Schenkungen an andere Dritte lediglich dann zu berücksichtigen sind, wenn sie der Verstorbene in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod gemacht hat. Die Hinzurechnung einer Schenkung an nicht pflichtteilsberechtigte Personen können der Ehegatte (wenn die Schenkung während aufrechter Ehe erfolgte) und die Nachkommen des Verstorbenen verlangen. Nachkommen jedoch nur dann, wenn im Zeitpunkt der Schenkung bereits ein Nachkomme vorhanden war. Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte können zusätzlich auch noch Erben sowie ggf Vermächtnisnehmer verlangen (ohne zeitliche Einschränkung [unklare gesetzliche Regelung iBa Ehepartner]).
Daraus folgt, dass die Hinzurechnung von Schenkungen an zukünftige Ehepartner mangels Pflichtteilsberechtigung zu diesem Zeitpunkt von Nachkommen nur dann gefordert werden kann, wenn die zwei Jahres Frist noch nicht um ist und im Zeitpunkt der Schenkung bereits ein Nachkomme vorhanden war. Hingegen kann ein Ehepartner wohl die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen an Nachkommen auch dann verlangen, wenn diese vor Abschluss der Ehe erfolgte und unabhängig von der 2 Jahresfrist.
RESTRUKTURIERUNG UND SANIERUNG / INSOLVENZ
Insolvenzanfechtungsklage gegen Ehefrau des faktischen Geschäftsführers
Vor einer Insolvenzeröffnung ist immer wieder zu beobachten, dass der Schuldner versucht, einzelne Gläubiger zu bevorteilen bzw Vermögen aus der Insolvenzmasse zu entziehen. Besonders häufig wird in diesem Zusammenhang versucht, nahe Angehörige zu begünstigen. Unabhängig von einer etwaigen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Schuldners, kann es in einem folgendem Insolvenzverfahren aufgrund solcher Rechtshandlungen jedoch zu Insolvenzanfechtungsklagen durch den Insolvenzverwalter kommen. Für den Fall, dass eine derartige Insolvenzanfechtungsklage erfolgreich ist, muss alles zur Insolvenzmasse rückgeleistet werden, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entzogen wurde.
Der Oberste Gerichtshof hat hierzu in einer kürzlich ergangenen Entscheidung festgehalten, dass bei juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen parteifähigen Gebilden nicht nur die Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans gemäß § 32 Abs 2 Z 1 IO als nahe Angehörige des Schuldners gelten, sondern auch der faktische Geschäftsführer eine besondere Informationsmöglichkeit hat und dadurch auch als naher Angehöriger iSd § 32 Abs 2 Z 1 IO zu qualifizieren ist. Der OGH hat weiters festgehalten, dass in weiterer Folge auch die nahen Angehörigen des faktischen Geschäftsführers iSd § 32 Abs 1 IO, somit im Wesentlichen der Ehegatte und Personen, die mit dem Schuldner oder dessen Ehegatten in gerader Linie oder bis zum vierten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind, als nahe Angehörige des Schuldners zu beurteilen sind.
Fazit:
Diese Entscheidung steht im Einklang mit einer Reihe von Entscheidungen des OGH zur Position des faktischen Geschäftsführers anlässlich eines Insolvenzverfahrens. Im Ergebnis ist die Entscheidung des OGH zu begrüßen und führt zu verstärkter Rechtssicherheit. Um Insolvenzanfechtungen von Rechtsgeschäften zu vermeiden, sollten sich Geschäftsführer jedenfalls genau überlegen, ob und wie sie Rechtsgeschäfte in wirtschaftlichen Krisenzeiten des Unternehmens durchführen. Dies insbesondere aufgrund der weit zurückreichenden Insolvenzanfechtungsmöglichkeit. Im bestimmten Fällen können auch Rechtsgeschäfte angefochten werden, die bis zu 10 Jahre vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden.
OGH 7. 5. 2024, 17 Ob 2/24d
UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT
Fehlende Dämmung als offensichtlicher Baumangel – Verzicht auf Gewährleistungsansprüche nach ÖNORM B 2110
Im gegenständlichen Verfahren hatte der Auftraggeber (AG) eine örtliche Bauaufsicht (ÖBA) mit der Koordination der Professionisten beauftragt. Dem Vertrag lag die ÖNORM B 2110 zugrunde. Durch einen Auftragnehmer (AN) wurden Abdichtungsarbeiten durchgeführt und ein Teil einer Dämmung nicht verlegt, obwohl diese im Plan eingezeichnet war. Der AN wurde von der ÖBA nicht zur Vornahme der Dämmarbeiten aufgefordert. Es wurden schließlich keine Leistungen für Dämmung in Rechnung gestellt und das Fehlen der Dämmung nicht gerügt.
Der AG wendete nunmehr beinahe drei Jahre später ein, dass das Werkentgelt nicht fällig sei, da die Dämmung nicht ausgeführt wurde. Der OGH kam zum Schluss, dass in der fehlenden Teilleistung der Wärmedämmung ein offensichtlicher Mangel iSd Pkt. 10.6.2 ÖNORM B 2110 liegt. Eine nachträgliche Geltendmachung des Mangels ist aufgrund der fehlenden fristgerechten Rüge nicht mehr möglich. Gegenständlich war das Fehlen der Wärmedämmung für die ÖBA aufgrund ihrer Koordinationsfunktion erkennbar, was sich der AG zurechnen lassen muss. Die ÖBA hätte sich vom Abschluss der Verlegung der Dämmung überzeugen müssen bzw. das Fehlen der Dämmleistungen in der Schlussrechnung bemerken müssen.
Dem Argument, dass eine frühere Rüge mangels förmlicher Übergabe nicht möglich war, ist der OGH nicht gefolgt. Nach Pkt. 10.2.2 der ÖNORM B 2110 gilt nämlich die Übernahme mit Fristablauf als erfolgt (Übernahmefiktion), wenn der AG ohne Angabe von Gründen nach Aufforderung zur Übernahme die Leistung nicht förmlich übernommen hat. Diese Fiktion gilt selbst dann, wenn Mängel vorliegen, die den schweigenden AG nach Pkt 10.5.1 der ÖNORM B2110 berechtigen würden, die Übernahme zu verweigern. Der AG musste auch gegenständlich die Übernahmefiktion nach Pkt 10.2.2 der ÖNORM B 2110 gegen sich gelten lassen und war damit keine rechtzeitige Rüge der fehlenden Dämmung erfolgt.
Praxistipp: Bei Anwendung der ÖNORM B 2110 sollten die wesentlichen Inhalte und Rechtsfolgen bekannt sein. Einer Aufforderung zur Übernahme der Leistung sollte zur Vermeidung negativer Folgen (Verzicht auf Gewährleistungsansprüche) nicht mit Schweigen entgegnet werden. Empfohlen wird die umgehende Überprüfung der Leistung und Erstattung einer begründeten schriftlichen Rüge von Mängeln.
OGH 15.2.2024, 8 Ob 114/23g
DATENSCHUTZ
Widerruf der Einwilligung zum Erhalt von Werbeschreiben
Ausgangslage dieses Verfahrens war ein Widerruf einer Einwilligung, von einem bestimmten Unternehmen per E‑Mail oder per Telefon Informationen zu erhalten. Der Kläger widersprach gegenständlich jeglicher Verarbeitung dieser Daten mit Ausnahme des Versands von „Newslettern“, die er weiterhin beziehen wollte. Trotz dieses Vorgehens erhielt der Kläger des Ausgangsverfahrens im Januar 2019 zwei Werbeschreiben, die ihn namentlich ansprechend an seine Geschäftsadresse geschickt wurden.
Das verarbeitende Unternehmen wies jede Haftung mit der Begründung zurück, dass sie einen Prozess zur Bearbeitung von Werbewidersprüchen implementiert habe und dass die verspätete Berücksichtigung der Widersprüche des Klägers des Ausgangsverfahrens entweder darauf beruht habe, dass einer ihrer Mitarbeiter sich weisungswidrig verhalten habe, oder darauf, dass es übermäßig kostspielig gewesen wäre, diese Widersprüche zu berücksichtigen. Allein der Verstoß gegen eine Verpflichtung aus der DSGVO, wie sie sich aus deren Art. 21 Abs. 3 ergebe, könne für sich genommen keinen „Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen.
Fazit:
Der EuGH hat in diesem Zusammenhang festgehalten, dass es für eine Befreiung von der Haftung der DSGVO nicht ausreicht, dass der Verantwortliche den ihm unterstellten Personen Weisungen erteilt. Vielmehr muss im Sinne dieser Judikatur der Verantwortliche auch sicherstellen, dass die erteilten Weisungen auch tatsächlich eingehalten werden. Eine Befreiung der Haftung durch das bloße Implementieren von Prozessen steht laut EuGH nicht im Einklang mit den Zielen der DSGVO
EuGH 11. 4. 2024, C-741/21
WETTBEWERBSRECHT / KARTELLRECHT
Rechtzeitig zum Beginn der Fußball EM am 14. Juni 2024, sorgt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Diskussion – eine Entscheidung, die auch für andere Wirtschaftsbereiche spannend ist.
Die im April 2021 von zwölf europäischen Fußballvereinen initiierte Super League erhob Klage gegen FIFA und UEFA, weil nur diese das Recht haben, (internationale) Fußballbewerbe zwischen Vereinen zu organisieren und damit verbundene Medienrechte zu vermarkten (zB die Champions League), sowie die Gründung eines neuen Interklub Fußballwettbewerbs zu genehmigen, was kartellrechtswidrig sei. Die Koordinierung zwischen Fußballvereinen, die als Unternehmen im Mitbewerb zueinander stehen, und die exklusive Vermarktung von deren Rechte sei wettbewerbsbeschränkend.
Eine solche Kooperation ist aber gerechtfertigt, wenn (1) dadurch Effizienzgewinne erzielt werden, (2) der Verbraucher an diesen Gewinnen angemessen beteiligt wird, (3) die Vereinbarung unbedingt erforderlich ist, um die Ziele der Tätigkeit zu erreichen und (4) ein gewisser Restwettbewerb bleibt. Dass die Besonderheiten des „Sportmarktes“ die zentrale Vermarktung von Fußballwettkämpfen rechtfertigen, wurde schon vor einigen Jahren festgehalten (COMP/C.2-37.398; z.B. attraktivere Ticketpreise). Gegenständlich hat der EuGH hinterfragt, ob Genehmigung von Bewerben und deren exklusive Vermarktung durch UEFA und FIFA aber wirklich notwendig sind und den Ball zur weiteren Prüfung dieser Punkte wieder dem Gericht zugeworfen.
Die aufgeworfenen Kriterien sind auch für Kooperationen von Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen relevant, damit eine an sich rechtlich kritische Zusammenarbeit zwischen Mitbewerbern dennoch möglich ist. Ein aktuelles Beispiel sind Nachhaltigkeitskooperationen.
Unternehmen, die in der Entwicklung, Verbesserung von nachhaltigen Produkten oder Gewinnung und Vermarktung Co2 neutraler Stromquellen zusammenarbeiten wollen, sollten die beabsichtigte Kooperation in Hinblick auf die genannten Kriterien prüfen. Liegt nicht generell ein Ausnahmetatbestand vor (z.B. landwirtschaftliche Erzeuger) braucht es gute Gründe: Werden ökologische Vorteile erzielt? Wird durch die Zusammenarbeit eine (nachweisliche) Reduktion von Umweltbelastungen erreicht? Welche Vorteile werden für Verbraucher erzielt? In jedem Fall muss ein Mindestmaß an Konkurrenz zwischen den Kooperationspartnern verbleiben, insbesondere hinsichtlich Preisgestaltung.
EuGH 21.12.2023, C-333/21