Legal News Oktober 2024
Newsletter – 05.11.2024
Es freut uns, Ihnen nachfolgend unsere Legal News für Oktober 2024 zur Verfügung zu stellen.
Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst:
- Arbeitsrecht
- Gesellschafts- und Konzernrecht
- Immobilienrecht
- Litigation
- Private Clients
- Restrukturierung und Sanierung | Insolvenz
- Strafrecht |Compliance
- Unternehmens- und Vertragsrecht
- Datenschutz
- Wettbewerbsrecht
ARBEITSRECHT
EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit
Am 24. April 2024 hat das Europäische Parlament neue Regeln zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten beschlossen. Diese sollen sicherstellen, dass der Beschäftigungsstatus korrekt eingestuft und Scheinselbstständigkeit wirksam bekämpft wird. Die mit großer Mehrheit angenommenen Regeln regulieren erstmals den Einsatz von Algorithmen am Arbeitsplatz.
Das Hauptanliegen der Richtlinie ist Scheinselbstständige bei Plattformarbeit zu bekämpfen. Denn in Rahmen der Plattformarbeit werden oftmals Personen als Scheinselbstständige beschäftigt, obwohl es sich eigentlich um reguläre Arbeitnehmer handelt. Dazu wurde eine rechtliche Vermutung eines Beschäftigungsverhältnisses eingeführt, sobald es Anzeichen für Kontrolle durch die Plattform gibt.
Digitale Arbeitsplattformen sollen dadurch reguliert und der Einsatz algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz geregelt werden. Plattformen dürfen auch keine wichtigen Entscheidungen, wie etwa Entlassungen, allein automatisierten Systemen überlassen. Automatisierte Entscheidungen werden somit unter menschlicher Aufsicht getroffen und Beschäftigte haben das Recht auf Erklärung und Überprüfung der Entscheidung.
Zudem schützen die neuen Regelungen die Daten von Plattformbeschäftigten. Die Verarbeitung sensibler persönlicher Daten, wie zum Beispiel Informationen über den emotionalen Zustand, wird untersagt. Weiters widmet sich die Richtlinie der Einführung von umfassenden Informationspflichten und der Schaffung von mehr Transparenz.
Nächster Schritt:
Die Richtlinie soll bis Mitte 2026 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
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Arbeitsrecht
EU- Plattformarbeitsrichtlinie
GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT
GmbH: Reichweite einer Konkurrenzklausel, gespaltene Stimmrechtsausübung
Der OGH befasste sich in vorliegender Entscheidung mit einer vertraglich vereinbarten Konkurrenzklausel und der Möglichkeit der gespaltenen Stimmrechtsausübung für einen zT treuhändig gehaltenen Geschäftsanteil.
Der Beklagte vereinbarte im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus der klagenden GmbH eine Konkurrenzklausel, welche allerdings die Ausnahme enthielt, dass „jede bloße Beteiligung von weniger als 49 % des Stamm- oder Grundkapitals“ vom Verbot ausgenommen sei. Um dem vereinbarten Konkurrenzverbot zu entsprechen, verringerte der Beklagte seine indirekt über eine Treuhänderin gehaltene Beteiligung an der Konkurrenzgesellschaft
S-GmbH auf 48,9 %. Die diese Beteiligungsquote übersteigenden Anteile wurden mittels Abtretungs- und Treuhandvertrags an zwei Mitgesellschafter übertragen, welche diese Anteile nun zusätzlich zu ihren bisherigen Anteilen unmittelbar selbst hielten. Für die verbleibenden 48,9 % wurde ein teilweiser Treuhänderwechsel auf die beiden Mitgesellschafter als neue Treuhänder vereinbart. In dieser Vereinbarung verpflichteten sich die beiden Mitgesellschafter „als Treuhänder“ gegenüber dem Beklagten „als Treugeber“ dazu, bei Beschlussfassung der Gesellschafter „nur entsprechend den Aufträgen des Treugebers das Stimmrecht auszuüben“.
Das OLG Wien als Berufungsgericht war der Auffassung, dass die im Abtretungs- und Treuhandvertrag vereinbarte Bindung an Weisungen des Beklagten bezüglich der Stimmrechtsausübung nur das Stimmrecht der treuhändig gehaltenen Gesellschaftsanteile betreffen sollte. Bezüglich der Anteile, welche sie (auch wirtschaftlich) selbst hielten, stehe ihnen die Stimmrechtsausübung weiter frei. Dieser Vereinbarung liegt allerdings die Grundproblematik der Zulässigkeit der gespaltenen Stimmrechtsausübung zugrunde. Denn nach stRsp kann das Stimmrecht für einen Geschäftsanteil grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden. Ein ungeteilter Geschäftsanteil gewährt somit jedem Gesellschafter nur ein ungeteiltes Stimmrecht. Ob für den Fall, dass ein Teil der Geschäftsanteile bloß treuhändig gehalten wird, eine gespaltene Stimmrechtsausübung zulässig ist, hat der OGH bisher offengelassen. Das OLG Wien erachtet die vorliegende Vereinbarung über eine mögliche gespaltene Stimmrechtsausübung jedenfalls als zulässig und sah daher auch keinen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot. Zumindest für die vorliegende Fallkonstellation erachtete der OGH die Beurteilung des OLG Wien über die Zulässigkeit einer gespaltenen Stimmrechtsausübung nicht als aufzugreifende Fehlbeurteilung.
OGH 26.4.2024, 6 Ob 109/23g
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Gesellschafts-und Konzernrecht
IMMOBILIENRECHT
Zulässigkeit von Kurzzeitvermietungen bei unspezifizierter Geschäftsraumwidmung
In diesem Judikat stellte der OGH unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung klar, dass für die Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes die privatrechtliche Einigung zwischen den Wohnungseigentümern maßgeblich ist. Im konkreten Fall waren alle Wohnungseigentumsobjekte des Beklagten „ungeachtet der Widmungsbezeichnung im Nutzwertgutachten sowohl als Wohnungen als auch als Geschäftsräumlichkeiten jedweder Art, insbesondere auch als Gaststätten, Büroräumlichkeiten oder Ordinationen“ gewidmet. Dies ergab sich aus dem Wohnungseigentumsvertrag.
Der Beklagte vermietete einen Teil seiner Wohnungseigentumsobjekte an Gesellschaften, welche diese wiederum als Apartments vermieteten. Der Kläger wollte eine solche Vermietung nicht dulden mit dem Argument, dass diese bei Festlegung der Widmung der Wohnungseigentumsobjekte des Beklagten als Geschäftslokal noch nicht üblich oder vorhersehbar war. Der OGH erteilte dieser Argumentation eine Absage. Die Parteien haben durch die unspezifizierte Widmung im Wohnungseigentumsvertrag gerade keine Einschränkung auf ganz bestimmte Geschäftstätigkeiten vereinbart, sondern ließen diese dadurch vielmehr bewusst offen. Es lag daher keine Widmungsänderung durch den Beklagten vor, weshalb die bei Widmungsänderungen gemäß § 16 Abs 2 WEG uU erforderliche Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer oder gerichtliche Ersetzung dieser Zustimmung gegenständlich nicht einschlägig war. Zusammenfassend erfolgte die Vermietung durch den Beklagten rechtmäßig.
Praxistipp:
Wenn man als Wohnungseigentümer die Nutzungsmöglichkeiten seiner Objekte breit fächern möchte, sollte die Widmung im Wohnungseigentumsvertrag entsprechend weit formuliert sein. Möchte man hingegen als Wohnungseigentümer gewisse Geschäftstätigkeiten anderer Wohnungseigentümer vermeiden, muss eine entsprechend enge Formulierung der Widmung der Objekte der anderen Wohnungseigentümer im Wohnungseigentumsvertrag das Ziel sein.
OGH 4.7.2024, 5 Ob 68/24x
LITIGATION
Verbandsklage auf Abhilfe
Verbandsklagen auf Abhilfe sind unabhängig vom Streitwert, ohne Rücksicht auf Eigenzuständigkeiten und ungeachtet einer allfälligen Gerichtsstandvereinbarung immer an das HG Wien zu richten. Die Klage muss von einer oder mehreren gemäß dem Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz (QEG) gesetzlich oder vom Bundeskartellanwalt anerkannten Qualifizierten Einrichtungen (QE) erhoben werden.
Die Klage muss mindestens 50 konkret betroffene, namentlich individualisierte Verbraucher nennen, denen aufgrund von im Wesentlichen gleichartigen Sachverhalten Ansprüche auf Abhilfe erwachsen sind. Hinzu kommt die Möglichkeit, bereits in der Klage weiteren Verbrauchern mit ihren Ansprüchen einen Beitritt zu eröffnen.
Die Klage auf Abhilfe ist in drei Verfahrensabschnitten eingeteilt:
- In einem ersten Verfahrensabschnitt prüft das Gericht die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen (etwa Anzahl der Verbraucher:innen). Das Gesetz gibt den Klägern die Möglichkeit in der Klage – der Beklagte hat diese Möglichkeit im ersten Schriftsatz – einen Zwischenantrag auf Feststellung zu stellen. Mit diesem Antrag soll eine Vorfrage, nämlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder Rechtsverhältnisses, geklärt werden. Die Feststellung gilt für alle am Verfahren beteiligten Verbraucher.
- Hierdurch beginnt der zweite Verfahrensabschnitt. Da die Klage auf Abhilfe erst erhoben werden kann, wenn zumindest 50 Verbraucher betroffen sind, ist dieser Zwischenfeststellungsantrag jedenfalls sinnvoll, da dadurch die für die Ansprüche entscheidungsrelevanten gemeinsamen Tat- oder Rechtsfragen geklärt werden sollen.
- Im dritten Verfahrensabschnitt ist über die einzelnen Leistungsbegehren abzusprechen.
Fazit:
Der zweite Verfahrensabschnitt wird in der Praxis einen wichtigen Teil des Verfahrens einnehmen. Die Gemeinsamkeiten, welche die Ansprüche aller Verbraucher betreffen, können in diesem Abschnitt gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Der zweite Verfahrensabschnitt schafft daher die Grundlage für die spätere Entscheidung über die jeden Verbraucher zustehende Geldleistung.
Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle – VRUN
PRIVATE CLIENTS
Kein Anspruch auf Entlohnung bei versagter gerichtlicher Genehmigung nach § 17 Abs 5 PSG
Gemäß § 17 Abs 5 PSG bedürfen Rechtsgeschäfte von Privatstiftungen mit einem Mitglied des Stiftungsvorstands der Genehmigung aller übrigen Mitglieder und des Gerichts, wenn die Privatstiftung über keinen Aufsichtsrat verfügt. Diese Regelung gilt analog für Rechtsgeschäfte zwischen der Privatstiftung und einer Gesellschaft (wie bspw. einer Rechtsanwalts GmbH), bei der ein Mitglied des Stiftungsvorstands einziger Gesellschafter und Geschäftsführer ist. Darüber hinaus gelangt § 17 Abs 5 PSG auch dann zur Anwendung, wenn der Geschäftsabschluss zumindest wirtschaftlich einem solchen mit dem Mitglied des Stiftungsvorstands gleichkommt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist dabei die Frage, ob im Einzelfall eine Interessenkollision zu befürchten ist.
Im gegenständlichen Verfahren war der Zweitbeklagte von 2000 bis 2014 Mitglied des Stiftungsvorstands sowie seit Ende 2006 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der erstbeklagten Rechtsanwalts GmbH. Diese legte gegenüber der Privatstiftung zwischen 2007 und 2013 Honorarnoten, die von der Privatstiftung bezahlt wurden. Der Zweitbeklagte beantragte 2013 nachträglich die gerichtliche Genehmigung der Beauftragung der Rechtsanwalts GmbH mit der rechtsfreundlichen Vertretung der Privatstiftung. Der Antrag wurde 2014 ua mangels Zustimmung der übrigen Mitglieder des Stiftungsvorstands rechtskräftig abgewiesen.
Aufgrund dessen musste das bereits vollzogene Rechtsgeschäft soweit möglich ex tunc rückabgewickelt werden. Bei erbrachten Arbeitsleistungen iwS ist grundsätzlich ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn zu zahlen. Der Rechtsanwalts GmbH stand dennoch kein Bereicherungsanspruch zu: Die Ermöglichung eines Bereicherungsanspruchs beraubte in diesem Fall die Bestimmung des § 17 Abs 5 PSG ihres Zwecks, könnte doch über den Umweg des Bereicherungsrechts das vom Gericht nicht genehmigte Geschäft im Ergebnis allenfalls sogar ohne Nachteil für das einer Interessenkollision unterliegende Vorstandsmitglied faktisch zur Umsetzung gelangen. Das würde im Ergebnis auf die Billigung einer Umgehung von § 17 Abs 5 PSG hinauslaufen.
OGH 20.2.2024, 2 Ob 64/23k
Gewünschte Pflichtteilsminderung testamentarisch anordnen!
Zu Lebzeiten der Erblasserin wurde gegen ihren Sohn mittels internationalen Haftbefehls aufgrund seiner schweren kriminellen Vergangenheit gefahndet. Der Sohn wollte sich einer Strafverfolgung entziehen und flüchtete ins Ausland. Bedingt durch die Flucht pflegte der Sohn bis zum Tod, nahezu zwanzig Jahre, keinen Kontakt zur Erblasserin. Die Handlungen des Sohnes und die darauffolgende mediale Berichtserstattung lösten schweres seelisches Leid bei der Erblasserin aus. Nach dem Tod der Erblasserin begehrte der Sohn seinen Pflichtteil.
Der OGH stand nunmehr vor der Frage, ob der Sohn aufgrund der Zufügung von schwerem seelischem Leid in verwerflicher Weise erbunfähig ist (relativer Erbunwürdigkeitsgrund gemäß § 541 Z 2 ABGB) und somit keinen Pflichtteilsanspruch erhält. In diesem Zusammenhang hält der OGH fest, dass „verwerflich“ kein rechtswidriges Verhalten sein muss, bereits ein unmoralisches oder tadelnswertes Handeln genügt. Nach § 541 Z 2 ABGB ist (nur) erbunfähig, wer Handlungen setzt, die auf die Zufügung schweren seelischen Leids abzielen. Der Sohn setzte die kriminellen Handlungen, um sich (vom Arbeitgeber) zu bereichern. Die Handlungen hatten lediglich eine Reflexwirkung auf die Erblasserin und führen nicht zur Erbunfähigkeit. Auch der relative Erbunwürdigkeitsgrund der gröblichen Vernachlässigung der Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern (§ 541 Z 3 ABGB) war aufgrund des nachvollziehbaren Grundes für den Kontaktabbruch (Flucht vor den Behörden) nicht erfüllt.
Zusammengefasst steht dem Sohn trotz seiner schweren kriminellen Vergangenheit ein Pflichtteilsanspruch zu.
Allerdings hätte in diesem Fall uU die testamentarische Anordnung einer Pflichtteilsminderung (Minderung des Pflichtteilsanspruchs um die Hälfte) aufgrund des langen Kontaktabbruchs möglich sein können und wäre bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung empfehlenswert gewesen.
OGH 23.4.2024, 2 Ob 219/23d
RESTRUKURIERUNG UND SANIERUNG | INSOLVENZ
Recht auf Akteneinsicht eines Insolvenzgläubigers
In dieser Entscheidung hatte sich das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) mit der Frage der Reichweite des Rechts auf Akteneinsicht eines Gläubigers zu beschäftigen. Auch im Insolvenzverfahren richtet sich das Recht auf Akteneinsicht grundsätzlich nach § 219 der Zivilprozessordnung.
- 219 ZPO nimmt bestimmte Aktenteile von der Akteneinsicht aus, enthält aber keine Regelung darüber, was zum Akteninhalt zählt. Gegenständlich beantragte die Insolvenzgläubigerin neben der Einsicht in den Insolvenzakt Einsicht in zahlreiche Urkunden des Rechnungswerks einer insolventen GmbH, und zwar für den gesamten Zeitraum der Gründung der Schuldnerin bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dies umfasst vollständige Bilanzen inklusive Erläuterungen; vollständige Gewinn- und Verlustrechnungen inklusive Erläuterungen; Saldenlisten; Bank-Kontoauszüge; Buchungsjournale; Kontoblätter. Für den Fall, dass die Akteneinsicht nicht gestattet werde, beantragte die Gläubigerin der Schuldnerin bzw dem Insolvenzverwalter aufzutragen, die Bücher vorzulegen. Weiters beantragte die Gläubigerin die Ladung der Organe der Schuldnerin, um diese zu den Inhalten der Bücher befragen zu können.
Das Oberlandesgericht Wien hat hierzu festgehalten, dass das Recht auf Akteneinsicht in den Insolvenzakt nicht auch das Recht auf Einsicht in die Bücher der Schuldnerin umfasse. Derartige Einsichtsrechte in Unterlagen lassen sich nicht aus § 219 ZPO ableiten. Weiters führte das OLG Wien aus, dass aus den Pflichten des Insolvenzverwalters, sich über die für die Entschließung der Gläubiger wichtigen Umstände Kenntnis zu verschaffen, kein Einsichtsrecht für Gläubiger folgt. Zur Erlangung dieser Kenntnis bestehen Auskunftspflichten des Schuldners gegenüber dem Insolvenzverwalter, die durch das Insolvenzgericht erzwingbar sind. Einsichtsrechte der Gläubiger werden dadurch nicht geschaffen.
Fazit:
Auch wenn es für die Gläubiger interessant sein mag, durch Einsichtnahme in das buchhalterische Rechenwerk weitere Informationen des Schuldners in Erfahrung zu bringen, ist dies gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Ein Gläubiger hat in die Geschäftsunterlagen nur insoweit Einsicht, als diese im Insolvenzakt erliegen.
OLG Wien 1. 3. 2024, 6 R 378/23m
STRAFRECHT | COMPLIANCE
Betrugsstrafbarkeit beim Kauf einer Wohnung
Im gegenständlichen Verfahren wurde der Angeklagte wegen versuchten schweren Betruges (§§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB) schuldig gesprochen. Den Ausführungen des Erstgerichts zufolge versuchte der Angeklagte durch die Vorgabe, er sei ein zahlungswilliger und -fähiger Auftraggeber, zum Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung inklusive zweier KFZ-Abstellplätze zu verleiten. Am Ende kam es jedoch weder zum schriftlichen Abschluss des Kaufvertrags noch zur Übergabe der Liegenschaft an den Angeklagten. Für die Berechnung der Höhe des (versuchten) Vermögensschadens zog das Erstgericht ua den Wert der Eigentumswohnung inklusive der KFZ-Abstellplätze sowie die Maklerprovision heran.
Der OGH kassierte das Urteil und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Insbesondere zu den Feststellungen zum Zeitpunkt des Schadenseintritts und der Schadenshöhe äußerte er sich kritisch. Denn im Fall der herausgelockten Liegenschaft tritt der Schaden nicht schon mit der (anfechtbaren) Vertragserrichtung, sondern erst mit der tatsächlichen Übergabe des unbeweglichen Gutes ein, weil erst dann ein effektiver Verlust an Vermögenssubstanz vorliegt. Bei der entgangenen Vermittlungsprovision handelt es sich um keinen Vermögensschaden, sondern bloß um einen unbeachtlichen mittelbaren Folgeschaden, zumal der Provisionsanspruch bloß als Folge des rechtswirksamen Abschlusses des Geschäfts entsteht.
OGH 15.5.2024, 15 Os 156/23i
UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT
Keine Pflicht des Ticketservices zur Rückzahlung der Servicegebühr nach Absage der Veranstaltung
Ein Verbraucher hatte – vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie – bei einem österreichweiten Ticketvermittler sechs Konzerttickets gekauft, wobei pro Ticket eine „Servicegebühr“ von EUR 2,00 im Kaufpreis enthalten war. Die Konzerte mussten COVID-19-bedingt abgesagt werden. Dem Verbraucher wurde der „reine“ Kaufpreis für die Tickets rückerstattet. Auf den Servicegebühren von gesamt EUR 12,00 blieb der Verbraucher „sitzen“. Diese klagte der VKI ein und kritisierte dabei insgesamt 3 Klauseln der AGB des Ticketvermittlers als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.Hinsichtlich der „Klauseln 1 und 2“ verwies der OGH auf seine Entscheidung
(9 Ob 34/24a), in welcher er eine Intransparenz der beiden Klauseln gemäß
- 6 Abs 3 KSchG bereits verneint hatte.
Zu beurteilen hatte er nunmehr noch die „Klausel 3“, welche besagte, dass „die angefallenen Service-, Versand- und Sorgenfreigebühren“ aufgrund der erbrachten Leistung nicht vom Ticketservice zurückerstattet werden können“.
Der OGH verneinte – anders als die Vorinstanzen – auch hier einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG und begründete dies im Wesentlichen damit, dass unabhängig von der rechtlichen Konstruktion, mittels derer ein Ticketvermittler Tickets vertreibt (zB Kommissionsgeschäft, Stellvertretung, Vermittlungsvertrag) sich die Rolle des Ticketvermittlers auf den Vertrieb der Tickets und die damit zusammenhängende Organisation beschränkt. Dieser Vorgang ist auch aus Sicht eines durchschnittlichen Käufers mit dem Erhalt des Tickets abgeschlossen. Ein redlicher Ticketerwerber kann nicht davon ausgehen, dass der Anspruch des Ticketservices auf Abgeltung seiner bereits erbrachten Leistung unter der auflösenden Bedingung der [Nicht]Durchführung der Veranstaltung stehe.
Dass die Vermittlung des Tickets und dessen Organisation durch die Absage der Veranstaltung für den Kunden letztendlich wertlos geworden ist, stellt keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar. Im Ergebnis steht dem Verbraucher bei einer durch die COVID-19-Pandemie eingetretenen nachträglichen (zufälligen) Unmöglichkeit der Veranstaltungsdurchführung unmittelbar nur der Anspruch auf Rückzahlung des (reinen) Kaufpreises gegenüber dem Veranstalter, nicht aber auf Rückerstattung der Servicegebühr gegenüber dem Ticketvermittler.
Fazit:
Dieser Entscheidung liegt zwar eine COVID-19-bedingte Absage zugrunde. Anwendung findet diese Rechtsprechung jedoch auch in anderen Fällen von Veranstaltungsabsagen wegen nachträglicher zufälliger Unmöglichkeit, sofern die AGB entsprechende Regelungen vorsehen.
OGH 26.6.2024, 8 Ob 64/24f
DATENSCHUTZ
Verordnung über künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI oder auch AI) wird im gesamten Wirtschaftsraum und in der Gesellschaft mittlerweile fast täglich eingesetzt und kann zahlreiche Vorteile bringen. Vor allem in Unternehmen herrscht jedoch Ungewissheit darüber, welche rechtlichen Risiken mit dem Einsatz von KI einhergehen.
Zur Regulierung dieser Technologien wurde am 13. Juni 2024 die KI-Verordnung (KI-VO oder auch AI Act) erlassen. Der AI Act ist der weltweit erste staatenübergreifende Rechtsakt, der den Einsatz von künstlicher Intelligenz regelt. Dieses EU-Regelwerk wird schrittweise in den nächsten Jahren (bis 1. August 2026) eingeführt werden. Ihr Ziel ist es, die Technologie zu fördern und gleichzeitig die Rechte der Bürgerinnen zu schützen.
Die KI-VO (Art 2 Abs 7) bestimmt, dass die DSGVO, die Arbeit der Datenschutzbehörde und die Pflichten von Anbietern und Betreibern von KI- Systemen in ihrer Rolle als Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter durch die KI-VO unberührt bleiben. Kommt es beim Einsatz von KI zur Verarbeitung personenbezogener Daten, bleibt die DSGVO parallel anwendbar. Ebenso wird im AI Act festgelegt, dass die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten sowie Betroffenenrechte beim Einsatz von KI angewendet werden müssen.
Die Durchsetzung der KI-VO soll Marktüberwachungsbehörden übertragen werden. Durch die Überwachung soll gewährleistet werden, dass Hochrisiko-KI-Systeme (zB Bewertende KI Systeme) den Vorgaben der VO entsprechen. Ein Hochrisiko-KI-System stellt ein hohes Risiko im Hinblick auf einen Schadenseintritt oder Schadensausmaß dar und unterliegt deshalb strengeren Regelungen.
Fazit:
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz birgt sowohl für Unternehmen, aber auch Privatpersonen ein gewisses rechtliches Risiko im Bereich Datenschutz, aber auch eine Chance, automatisierte Vorgänge und Vorhersagen zu entwickeln. Mit der KI-VO wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um die Bestimmungen des Datenschutzes mit dem Einsatz von KI Systemen zu harmonisieren.
Verordnung (EU) 2024/1689
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Datenschutz
WETTBEWERBSRECHT
Austausch über strategisch relevante Informationen
Dass Preisabsprachen zwischen Unternehmen nicht zulässig sind, ist weitgehend bekannt. Der verbotene Austausch von Informationen betrifft aber nicht nur Preise, sondern wird der Begriff der „Informationen“ von der Bundeswettbewerbsbehörde sehr weit ausgelegt, was zuletzt eine im
Mai 2024 veröffentlichte Entscheidung zeigt:
Hintergrund waren Ausschreibungen im Fassadenbau. Bevor die Unternehmen an Ausschreibungen teilnahmen, kontaktieren sie sich gegenseitig (meist sehr informell telefonisch) um sich über interne Kalkulationsschemen und strategische Überlegungen auszutauschen. Ein solcher „informeller“ Austausch reicht bereits aus, um von einer abgestimmten Verhaltensweise, also einem Kartell, zu sprechen. Das Gericht nennt es auch „Fühlungnahme zwischen Unternehmen“ – also jegliche Informationsbeschaffung, die das Verhalten des Mitbewerbers „abtasten“ soll. Dass dieses „Abtasten“ den Zweck verfolgt den Wettbewerb zu beschränken, lag auf der Hand: Man wollte unter anderem künftige Strategien der Mitbewerber eruieren, bei welchen Aufträgen die Konkurrenz „eine Gefahr werden könnte“. Allein die Frage an einen Mitbewerber, „ob er dort auch angeboten hat“, wurde als ausreichend für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise qualifiziert.
Fazit:
Die Entscheidung soll in Erinnerung rufen, dass bei Gesprächen vor allem zwischen Konkurrenten, höchste Vorsicht geboten ist. Vorfälle in der Vergangenheit zeigen, dass die Bau- und Handwerksbranche, aber auch sehr vertriebslastige Branchen unter besonderer Beobachtung der Bundeswettbewerbsbehörde stehen. Sehr häufig wird in informellen Gesprächen über Geschäftliches gesprochen, wo man nicht sofort an ein verwerfliches Verhalten denkt!
Tipp:
- Wenn Sie ungefragte Informationen bekommen und Sie vermuten, dass es sich um einen verbotenen Austausch sensibler geschäftlicher Informationen handelt, handeln Sie sofort!
- Antworten Sie schriftlich per E-Mail an den Informationsübermittler mit dem Hinweis, dass Ihnen derartige Informationen aus rechtlichen Gründen nicht zugehen dürfen und der Bitte, die Übermittlung solcher Informationen künftig zu unterlassen.
- Bewahren Sie Ihre Antwort unbedingt auf, damit Sie bei einem etwaigen Vorwurf eines kartellrechtswidrigen Informationsaustauschs sofort das Gegenteil beweisen können!
OLG Wien 7.5.2024, 25 Kt 3/23p
Autor:innen
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Johannes EdthalerRechtsanwalt | PartnerDetails zur Person
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Christina HödlmayrRechtsanwältin | PartnerinDetails zur Person