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Legal News Februar 2024

Newsletter – 03.02.2024

Es freut uns, Ihnen nachfolgend unsere Legal News für Februar 2024 zu übermitteln.

Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst:

ARBEITSRECHT

Falsche Arbeitszeiteintragung im Home-Office

Im gegenständlichen Fall gab der Arbeitnehmer wahrheitswidrig im Arbeitszeiterfassungssystem des Arbeitgebers an, an einem Tag von 9.00 Uhr bis 17.15 Uhr gearbeitet zu haben, obwohl er faktisch erst ab ca 12.00 Uhr zu arbeiten begann. Der Arbeitnehmer war der Meinung, dass er deshalb keine Arbeitszeitverkürzung zu Lasten des Arbeitgebers herbeiführte, weil er an einem Tag zuvor bis etwa 22.30 Uhr gearbeitet hatte.

Der OGH hielt fest, dass die falsche Eingabe des Arbeitnehmers in das Arbeitszeiterfassungssystem keine bloße Ordnungswidrigkeit darstellt, sondern einen schwerwiegenden Vertrauensbruch. Bei Arbeitsleistungen im Home-Office genießt der Arbeitnehmer besondere Vertrauensstellung, weil keine Überwachung und Kontrolle seitens des Arbeitgebers möglich ist. Da der Arbeitgeber auf die Richtigkeit der Angaben des Arbeitnehmers im Home-Office angewiesen ist, hat dieses Verhalten das Vertrauen des Arbeitgebers so schwer erschüttert, dass ihm die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden konnte.

Der absichtliche wahrheitswidrige Eintrag durch den Arbeitnehmer im Zeiterfassungssystem im Home-Office rechtfertigte die Entlassung.

OGH 27.9.2023, 9 ObA 58/23d

 

GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT

Inhaltliche Mindesterfordernisse obligatorischer Mediationsvereinbarungen

In der vorliegenden Entscheidung befasste sich der OGH mit der Wirksamkeit einer Mediationsvereinbarung und wiederholte in diesem Zusammenhang dessen inhaltliche Mindesterfordernisse.

Der Kläger (pensionsbedingt ausgeschiedener Gesellschafter) begehrte Abfindungsansprüche. Die Beklagten (GmbH und verbliebene Gesellschafter) wandten gestützt auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Mediationsvereinbarung jedoch fehlende Klagbarkeit ein. Der Kläger unterließ die verpflichtende Bekanntgabe der beabsichtigten Klagseinbringung. Die Klage wurde daher vom Erstgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht führte hingegen aus, dass die Beklagten mit der Klagszustellung schriftlich informiert wurden und daraufhin eine Mediation verlangen hätten können. Beide Gerichte gehen dabei von einer wirksam vereinbarten obligatorischen Mediationsvereinbarung aus.

Der OGH sprach in der vorliegenden Entscheidung, unter Verweis auf seine bisherige Rsp aus, dass unbestimmte Mediationsvereinbarungen unwirksam sind. Der OGH führt dazu näher aus, dass Mediationsvereinbarungen ein Mindestmaß an Bestimmtheit aufweisen müssen. Neben den zu regelnden Ansprüchen sind Vorgaben in Bezug auf die Auswahl und Bestellung der Mediatoren, den Ort der Mediation und die Dauer der vorgerichtlichen Mediationsversuche als Richtschnur für eine wirksame obligatorische Mediationsvereinbarung anzusehen. Die vorliegende Mediationsvereinbarung enthält keine dieser Vorgaben und ist lt OGH daher vollkommen unbestimmt und unwirksam. Ob die Einhaltung der gegenständlichen Mediationsvereinbarung nachgeholt werden konnte und vom Kläger auch nachgeholt wurde, ist daher nicht mehr relevant.

OGH 25.9.2023, 6 Ob 229/22b

Parteistellung im Firmenbuchverfahren bei Änderungen im Gesellschafterstand

A, B und C waren Gesellschafter einer GmbH. Der Geschäftsanteil von B ging im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf A über. Am 13. Februar 2023 nahm A auch ein unbefristetes, notarielles Angebot aus 1993 zur Abtretung der Geschäftsanteile von C an. Weiters bestellte A (als Alleingesellschafter) einen neuen Geschäftsführer. Diese Vorgänge wurden zum Firmenbuch angemeldet und eingetragen.

Gesellschafterin C focht den Eintragungsbeschluss zur Gänze an. Der Erwerb eines Teils ihres Geschäftsanteils sei erst am 2. Juli 1996 im Firmenbuch eingetragen worden, somit drei Jahre nachdem die Abtretung 1993 angeboten wurde. Das Angebot sei daher inhaltlich unrichtig und keine taugliche Grundlage für die gegenständliche Eintragung von A als Alleingesellschafter. Insofern würde auch ein Gesellschafterbeschluss für die Eintragung eines neuen Geschäftsführers fehlen.

Für die Lösung des Rechtsstreits sind die jeweiligen Eintragungsvorgänge einzeln zu betrachten. Parteien des Firmenbuchverfahrens sind nämlich nur Gesellschafter, deren rechtlich geschützte Stellung unmittelbar beeinflusst wird, ohne dass eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Bloße Reflexwirkungen reichen nicht aus, um eine materielle Parteistellung zu begründen. Daher fehlt C die Rekurslegitimation gegen die Eintragung und Löschung anderer Gesellschafter. Gleiches gilt für die Eintragung eines Geschäftsführers, selbst wenn eine strittige Vorfrage wie das Zustandekommen eines Gesellschafterbeschlusses zu prüfen ist. Hinsichtlich ihrer eigenen Löschung als Gesellschafterin wird jedoch zweifellos ihre firmenbuchrechtliche Stellung und nicht nur ein wirtschaftliches Interesse berührt.

Der diesbezügliche Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Dies da ein Abtretungsanbot (oder ein Optionsrecht) – in Notariatsaktsform – auch rechtswirksam über einen künftig zu erwerbenden Geschäftsanteil vereinbart werden kann. Es ist irrelevant, ob der Geschäftsanteil bereits existiert oder wie hier schon im Eigentum des Verpflichteten steht. Da der Firmenbuchstand nur deklarativ wirkt, steht eine fehlende Eintragung für sich einem Abtretungsangebot über Geschäftsanteile nicht entgegen.

Die Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts beschränkt sich darauf, ob die begehrte Eintragung schlüssig dargelegt und glaubwürdig ist. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Firmenbuchstand und Abtretungsangebot ist das Vorbringen der C nicht geeignet, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der Eintragung auszulösen. Soweit der Rekurs daher die Eintragung der Löschung der Rekurswerberin C als Gesellschafterin betrifft, ist er als unbegründet abzuweisen.

OLG Innsbruck 27.6.2023, 3 R 44/23d

 

IMMOBILIENRECHT

Gesundheitsgefährdender Mangel wegen fehlender Brandschutztür

Ein gesundheitsgefährdender Mangel ist dann von der Erhaltungspflicht des Vermieters umfasst, wenn eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Bewohner vorliegt. Diese Schwelle der Erheblichkeit findet sich einerseits in der Generalklausel des § 3 Abs 1 MRG, andererseits auch im Tatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 MRG. Sie stellt klar, dass nicht schon die kleinsten Beeinträchtigungen in die Erhaltungspflicht des Vermieters fallen.

Sie ist beispielsweise dann erreicht, wenn die Wohnungstür eines einzigen Mieters nicht den Brandschutzbestimmungen entspricht und eine konkret daraus resultierende Gefahr für diesen Mieter und die anderen Hausbewohner im Brandfall besteht. Der Einwand der Vermieterin, dass ein Wohnungsbrand einerseits nur durch unsachgemäßes, rechtswidriges und daher vermeidbares Verhalten entstehen könne und andererseits ein außergewöhnliches Ereignis darstelle, ändert nichts an der erheblichen Gefahr für die Hausbewohner.

OGH 24.10.2023, 5 Ob 58/23z

Keine Rechtswidrigkeit bei übermäßiger Nutzung durch einen Miteigentümer und vorhandener Benützungsregelung

In dieser Entscheidung entschied der OGH, welche Auswirkungen ein Vergleich in einem Besitzstörungsverfahren, in dem ein Miteigentümer auf die Benützung des Miteigentumsobjekts (hier ein Einfamilienhaus) verzichtet, auf eine später erhobene Zivilteilungsklage hat. Gem. § 829 ABGB ist jeder Teilhaber vollständiger Eigentümer seines Anteils. Die Anteile sind keine realen, sondern ideelle. Aus diesem Grund ist es das Recht eines jeden Miteigentümers, die Sache annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechend zu nutzen, sofern ein persönlicher Bedarf an einer solchen Nutzung besteht.
Ein Miteigentümer hat jedoch kein Recht auf ausschließliche Benützung eines gewissen realen Anteils, solange zwischen den Miteigentümern keine Benützungsregelung abgeschlossen wurde. Es ist weder titellos noch rechtswidrig, wenn ein Miteigentümer unter Duldung des anderen Miteigentümers (wegen fehlenden Widerspruchs), die Liegenschaft überproportional oder sogar gänzlich allein benützt.

OGH 23.11.2023, 9 Ob 51/23z

Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft stellt keine „bestehende“ Einrichtung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG dar

Bestimmte Wohnungseigentümer wollten eine Vorrichtung zum Langsamladen elektrisch betriebener Fahrzeuge (Wallbox) in der Garage, an deren Stellplätze gesondert Wohnungseigentum begründet ist, errichten. Bei der Abstimmung stimmten 56,406 % der Eigentümergemeinschaft dafür. Die von § 16 Abs 2 WEG geforderte Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer wurde vom Erstgericht auf Antrag ersetzt.

§ 16 Abs 2 Z 2 WEG regelt, dass eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer unzulässig ist, wenn der Anschluss an eine bestehende Einrichtung möglich oder zumutbar ist.

Eine Antragsgegnerin argumentierte im Revisionsrekursverfahren, dass der Mehrheitsbeschluss über die zu errichtende Wallbox einer solchen bestehenden Einrichtung gleichkommen könnte.

Der OGH verneinte dies. Es ist unzweifelhaft, dass ein Mehrheitsbeschluss keine bestehende Einrichtung darstellen kann, an die ein Anschluss möglich ist.

OGH 9.11.2023, 5 Ob 158/23f

 

LITIGATION

Verjährung des Werklohnanspruchs bei verspäteter Rechnungslegung

Gem § 1486 Z 1 ABGB verjähren Werklohnforderungen binnen drei Jahren. Ein nicht schon pauschal vereinbarter Werklohn wird erst mit Übermittlung der Rechnung fällig; damit beginnt grds auch die Verjährungsfrist.

Der Beginn der Verjährung des Werklohns kann durch eine verspätete Rechnungslegung nicht hinausgeschoben werden. Ist der Unternehmer mit der Rechnungslegung säumig, so beginnt die Verjährung schon in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Unternehmer die Rechnungslegung objektiv möglich gewesen wäre.

Dieser Zeitpunkt fällt praktisch mit der Vollendung des Werks zusammen. Ist der Werkvertrag noch nicht zur Gänze erfüllt, so ist als Beginn der verkehrsüblichen Rechnungslegungsfrist der Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Auftragnehmer aufgrund der Umstände des jeweiligen Falls erkennen konnte, dass der Auftraggeber das Werk bereits für vollendet hält oder die Vollendung offenbar nicht mehr will. Wurde ein Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart, so ist dieser für den Beginn der Verjährung maßgebend.

Die Fälligkeit der Werklohnforderung knüpft an die Rechnungslegung an, die Rechnungslegung an die Übergabe. Die in der Rsp angestellten verjährungsrechtlichen Erwägungen für den Fall der Verzögerung der Rechnungslegung gelten daher auch dann, wenn der Auftragnehmer die Rechnungslegung dadurch verzögert, dass er schon die Übernahme hinauszuschieben versucht. Wird daher die Rechnungslegung vom Auftragnehmer – wie hier – durch seinen Verzug mit der Anzeige der Fertigstellung der Arbeiten und dem Angebot zur Übernahme verzögert, so beginnt die Verjährung jedenfalls mit dem Zeitpunkt, zu dem die Übergabe und Rechnungslegung möglich war. Die die formale Übergabe regelnden Bestimmungen der Allgemeinen Vertragsbestimmungen und der ÖNORM B 2110 sollen schließlich den Auftraggeber (Besteller) lediglich vor einer vorzeitigen Zahlungspflicht (aus Gründen in der Sphäre des Auftragnehmers) schützen.

OGH 17.8.2023, 5 Ob 83/23a

 

PRIVATE CLIENTS

Festlegung der Stiftungsvorstandsvergütung durch die Stiftungsurkunde nur bei ausreichender Determinierung

In der Stiftungsurkunde ist geregelt, dass der Stiftungsvorstand einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung hat. Die Höhe dieser Vergütung richtet sich nach dem Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung und der Verantwortung der jeweiligen Vorstandsmitglieder. Weiters ist geregelt, dass die geltend gemachten Vergütungsansprüche durch die Stiftungsprüferin zu prüfen sind, die diesbezüglich eine Stellungnahme abzugeben hat.

Im vorliegenden Fall war strittig, ob aufgrund der in der Stiftungsurkunde getroffenen Regelung der Vorstand berechtigt ist, seine Vergütung – nach Prüfung durch die Stiftungsprüferin – selbst zu bestimmen, oder ob die gesetzliche Regelung greift, dass den Vorstandsmitgliedern für ihre Tätigkeit eine mit ihren Aufgaben und der Lage der Privatstiftung in Einklang stehende Vergütung gebührt, die vom Gericht zu bestimmen ist.

Voraussetzung für eine Bestimmung der Vorstandsvergütung durch den Stiftungsvorstand selbst ist eine ausreichende Determinierung in der Stiftungserklärung. Nur wenn in der Stiftungserklärung konkrete Rahmenbedingungen für die ebenfalls schon konkret festgelegten Tätigkeitsbereiche der Vorstandsmitglieder vorgesehen sind, kann eine selbständige Bestimmung durch die Vorstandsmitglieder erfolgen. Nicht erforderlich dafür ist, dass fixe Beträge in der Stiftungserklärung genannt werden; ein Hinweis auf eine Honorarrichtlinie ist ausreichend.

Eine Regelung ist nicht ausreichend determiniert, wenn sie nur den Hinweis auf eine angemessene Vergütung, die sich nach dem Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung und der Verantwortung richten soll, aber keine konkreten Parameter, an denen sich die Bestimmung der Vergütung zu orientieren hat, enthält. Die Übertragung der Kompetenz zur Festsetzung der Vorstandsvergütung auf den Stiftungsprüfer ist unzulässig, weil dies letztlich zu einer Kontrolle der durch ihn selbst festgelegten Vergütung und damit einem Kontrolldefizit führen würde.

Praxistipp: Die Stiftungserklärung sollte regelmäßig einer Überprüfung unterzogen werden, damit sichergestellt ist, dass unter anderem die Bestimmungen zur Vorstandsvergütung der aktuellen höchstgerichtlichen Rsp entsprechen und somit auch das Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder minimiert wird, da für rechtsgrundlos geleistete Vorstandsvergütungen der Privatstiftung gegenüber den jeweiligen Vorstandsmitgliedern ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zusteht.

OLG Innsbruck 9.5.2023, 3 R 158/22t, 3 R 157/22w

 

RESTRUKTURIERUNG UND SANIERUNG | INSOLVENZ

Kein Restrukturierungsverfahren bei Zahlungsunfähigkeit

Beim zitierten Gerichtsurteil handelt es sich um die erste veröffentlichte Rechtsmittelentscheidung betreffend die Restrukturierungsordnung (ReO). Die Entscheidung befasst sich mit den „undeutlichen“ Regelungen der richterlichen Prüfpflichten bei der Verfahrenseinleitung des Restrukturierungsverfahrens iZm der Zahlungsunfähigkeit und trifft Klarstellungen zum Verhältnis von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren.

Gem § 1 Abs 1 ReO ermöglicht das Restrukturierungsverfahren dem Schuldner sich zu restrukturieren, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden und die Bestandfähigkeit sicherzustellen. Das Verfahren ist auf Antrag des Schuldners einzuleiten und setzt ein Stadium der wahrscheinlichen Insolvenz voraus (§ 6 Abs 1 ReO).

Zu den wesentlichen materiellen Eröffnungsvoraussetzungen zählt neben dem Restrukturierungsbedürfnis auch die Restrukturierungswürdigkeit. Letztere liegt vor, solange der Schuldner noch bestandfähig ist. Dies ist bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit auszuschließen. Diese Einschränkung lässt sich der Restrukturierungsordnung allerdings nicht deutlich entnehmen: Zwar steht eine Zahlungsunfähigkeit der Bewilligung einer Vollstreckungssperre nach §§ 19 ff ReO ausdrücklich entgegen, sie soll allerdings die Verfahrenseinleitung nach § 7 ReO nur dann hindern, wenn sie sich aus den Exekutionsdaten „offenkundig“ ergibt. Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass sog präventive Restrukturierungsrahmen (wie die ReO) Zahlungsunfähigen „grundsätzlich nicht zur Verfügung“ stehen, allerdings soll die Zahlungs(un)fähigkeit bei Verfahrenseinleitung nicht geprüft werden.

Nach der Entscheidung des OLG Wien kommt dem Gericht bei der Überprüfung der Zahlungs(un)fähigkeit des Schuldners im Eröffnungsverfahren eine aktive Rolle zu. Es liegt eine richterliche Prüfpflicht vor, wobei durch § 7 Abs 3 ReO lediglich die Prüfungsintensität herabgesetzt ist.

Wird, wie im Anlassfall, zugleich mit dem Einleitungsantrag ein Antrag auf Bewilligung einer Vollstreckungssperre gestellt, so ist die Zahlungs(un)fähigkeit wegen § 19 Abs 2 Z 3 iVm Abs 4 ReO vertieft zu prüfen.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das ReO-Verfahren nicht der Beseitigung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit dient, denn hierauf ist das Insolvenzverfahren zugeschnitten. Angesichts der vorliegenden Entscheidung haben die Gerichte diese Abgrenzung im Einleitungsverfahren durch amtswegige Ermittlungen in Hinblick auf die Zahlungs(un)fähigkeit des Antragstellers sicherzustellen.

OLG Wien 22.3.2023, 6 R 200/22h

 

STRAFRECHT | COMPLIANCE

Vergabeverfahren im strafrechtlichen Sinne

§ 168b StGB stellt wettbewerbseinschränkende Absprachen unter Strafe. In der Wissenschaft ist seit langem strittig, ob diese Strafnorm nur auf rechtswidrige Absprachen im Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz (BVergG) bzw auf Vergaben durch einen öffentlichen Auftraggeber oder auch auf Vergaben durch private Auftraggeber anwendbar ist. In der gegenständlichen Entscheidung hat der OGH diesen Streit – für die Praxis – entschieden.

Nach dem OGH umfasst § 168b StGB auch Vergabeverfahren, die private Auftraggeber außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des BVergG durchführen.

Die Wortlautgrenze des § 168b Abs 1 StGB werde weder durch dessen Anwendung auf nicht dem BVergG unterliegende „Vergabeverfahren“ noch durch die Annahme überschritten, die Strafnorm erfasse auch private „Auftraggeber“. Der Tatbestand erfasse auch private „Auftraggeber“. „Vergabeverfahren“ iSd § 168b Abs 1 StGB können „Verfahren zur Beschaffung von Leistungen“ (vgl § 1 Z 1 und 2 BVergG) auch dann sein, wenn sie weder den „öffentlichen Bereich“ noch den „Sektorenbereich“ iSd BVergG betreffen.

Als „Auftraggeber“ iSd § 168b Abs 1 StGB sei wiederum „jeder Rechtsträger, der vertraglich an einen Auftragnehmer einen Auftrag zur Erbringung von Leistungen gegen Entgelt erteilt oder zu erteilen beabsichtigt“ (§ 2 Z 5 BVergG), auch dann zu verstehen, wenn er nicht „öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber“ iSd BVergG sei.

OGH 21.11.2023, 11 Os 112/23i

 

UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT

Schiedsgutachterabreden im KSchG

Der OGH nahm hier erstmals zur Frage Stellung, ob ein vertraglich vorgesehenes Schiedsgutachterverfahren als Einschränkung iSd § 9 Abs 1 KSchG (Verbot der Einschränkung des Gewährleistungsrechts) zu werten ist. Er sprach dazu zusammengefasst folgendes aus:

Die in einem Kaufvertrag zwischen einem Bauträger und einem Verbraucher vereinbarte Verpflichtung zur Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens zur Feststellung von Mängeln schränkt im Hinblick auf die fehlenden prozessualen Mitwirkungsrechte der Käufer im Schiedsgutachterverfahren bei gleichzeitig weitgehender Bindung an das Ergebnis dieses Gutachtens im darauffolgenden Gerichtsverfahren die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers iSd § 9 Abs 1 KSchG unzulässig ein. Eine derartige Klausel ist im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern daher unwirksam.

OGH 23.11.2023, 5 Ob 167/23d

 

DATENSCHUTZ

Immaterieller Schaden nach Cyberangriff

Eine unbefugte Offenlegung von bzw ein unbefugter Zugang zu personenbezogenen Daten durch „Dritte“ reicht allein nicht aus, um anzunehmen, dass die technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen, die seitens des Verantwortlichen getroffen wurden, nicht „geeignet“ iSd Art 24 und 32 DSGVO waren.

Die Geeignetheit der getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen nach Art 32 DSGVO ist konkret zu beurteilen, wobei die mit der betreffenden Verarbeitung verbundenen Risiken zu berücksichtigen sind und zu beurteilen ist, ob Art, Inhalt und Umsetzung dieser Maßnahmen diesen Risiken angemessen sind.

Der für die Datenverarbeitung Verantwortliche trägt im Rahmen einer Schadenersatzklage nach Art 82 DSGVO die Beweislast dafür, dass die von ihm getroffenen Sicherheitsmaßnahmen iSv Art 32 DSGVO geeignet waren.

Der Verantwortliche kann sich von seiner Haftung befreien, indem er nachweist, dass es keinen Kausalzusammenhang zwischen der etwaigen Verletzung der Verpflichtung zum Datenschutz durch ihn und dem Schaden der natürlichen Person gibt.

Allein der Umstand, dass eine betroffene Person infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO befürchtet, dass ihre personenbezogenen Daten durch Dritte missbräuchlich verwendet werden könnten, kann einen „immateriellen Schaden“ iSd Art 82 Abs 1 DSGVO darstellen. Allerdings muss die Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachweisen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv Art 82 DSGVO darstellen. Das nationale Gericht, das mit der Schadenersatzforderung befasst ist, hat zu prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann.

EuGH 14.12.2023, C-340/21

 

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