Neue OGH-Entscheidungen zu Lockdown-Mieten
News – 29.06.2022
Bäckerei-Cafe in Gewerbegebiet: Mietzinsentfall während Lockdowns
Sachverhalt
Die beklagte Mieterin hatte in einem Fachmarktzentrum in einem Gewerbegebiet ein Geschäftslokal für den Betrieb als „Bäckerei-Cafe“ angemietet. Nach dem übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien stand bei Vertragsabschluss der Kaffeehausbetrieb im Vordergrund und war klar, dass eine reine Bäckerei bzw eine überwiegend auf Bäckereiverkauf ausgerichtete Filiale aufgrund des Standorts im reinen Gewerbegebiet wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre. Die Mieterin erzielt 90 % der Umsätze über den Kaffeehausbetrieb und nur rund 10 % durch den Verkauf von Backwaren. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 und während des zweiten Lockdowns von November 2020 bis Mitte Mai 2021 schloss die Beklagte ihr Geschäft zur Gänze und zahlte für diese Zeiträume keine Mietzinse.
Kernaussagen des OGH
Auch mündliche Vereinbarungen zu berücksichtigen
- Der OGH stellte in der vorliegenden Entscheidung zu 3Ob36/22y klar, dass die Frage der (gänzlichen oder teilweisen) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands nach dem Vertragszweck zu beurteilen ist. Dieser Vertragszweck ergibt sich nicht nur aus dem schriftlichen Mietvertrag, sondern auch aus den mündlichen Vereinbarungen der Parteien (hier: Betrieb eines Kaffeehauses im Vordergrund).
Gänzliche Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts bei Unwirtschaftlichkeit von Liefer- und Abholservice
- Angesichts der Lage des Bestandobjekts im Gewerbegebiet und dem daraus folgenden Fehlen von Laufkundschaft wäre ein Betrieb des Geschäftslokals nur für ein „Abholservice“ für Bäckereiwaren (oder auch das Anbieten von Kaffee „to go“) nicht kostendeckend möglich gewesen. Zudem wurden 90 % der im Rahmen des Kaffeehausbetriebs verkauften Getränke und Speisen an den im Lokal vorhandenen Tischen konsumiert.
- Ein Lieferservice wurde am Standort nicht angeboten. Es wäre damit ein nachhaltiges Verlustgeschäft verbunden gewesen, weil während der Lockdowns sämtliche Bäckereien geöffnet hatten und deshalb für potenzielle Käufer von Bäckereiwaren kein Anlass bestand, diese Produkte nicht in der Nähe ihres Wohnorts zu erwerben, sondern sie sich gegen Entgelt aus einem Gewerbegebiet liefern zu lassen.
- Aufgrund dieser Umstände lag gegenständlich während der behördlichen Betretungsverbote eine gänzliche Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts vor.
Keine Verletzung der Betriebspflicht
- Eine Verletzung der mietvertraglich festgelegten Betriebspflicht durch die Mieterin und damit verbundene Pflicht zur Zahlung einer Konventionalstrafe wurde vom OGH verneint, da der nach der Vereinbarung der Parteien im Vordergrund stehende Betrieb des Kaffeehauses (also eines Gastronomiebetriebs) in dieser Zeit untersagt war.
Keine Herausgabeverpflichtung für Umsatzersatz
- Weiters wurde klargestellt, dass neben einem vom Mieter bezogenen Fixkostenzuschuss auch ein Umsatzersatz nicht an den Vermieter herauszugeben ist, da es sich auch nach der Zielrichtung dieser Zuschussgewährung um eine Förderung der betroffenen Unternehmer (Bestandnehmer) handelt, um deren Liquidität sicherzustellen.
Umsatzeinbuße infolge bloßen Auftrags- und Kundenrückgangs begründet keine Mietzinsminderung
In der Entscheidung zu 7 Ob 207/21y hat der OGH weiters bezugnehmend auf eine Rechtsanwaltskanzlei als Mieterin festgehalten, dass eine Mietzinsminderung dann nicht zusteht, wenn die Nutzung des Bestandobjektes nur deshalb eingeschränkt war, weil aufgrund der konkreten Mandantenstruktur die von der Mieterin angebotenen Dienstleistungen pandemiebedingt nur stark reduziert nachgefragt wurden, was wiederum zu einer Umsatzeinbuße führte. Die bloß fallweise Nutzung des Mietgegenstandes ergab sich nicht aufgrund pandemiebedingter behördlicher Maßnahmen oder Anordnungen (kein Betretungsverbot für Rechtsanwaltskanzleien), sondern aus der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, die Räumlichkeiten nur fallweise zu nutzen.
Autor:innen
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Johannes EdthalerRechtsanwalt | PartnerDetails zur Person
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Sigrid EggerRechtsanwältinDetails zur Person