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OGH: Kein gänzlicher Mietzinsentfall bei bloß theoretischer Möglichkeit des Anbietens von Lieferservice und Take-Away

Corona-News – 25.03.2022

Der OGH hat in der vorliegenden Entscheidung vom 25. Jänner 2022 (8 Ob 131/21d, veröffentlicht 18. März 2022) erstmals zur Mietzinsminderung im Gastgewerbe entschieden und kommt zum Schluss, dass die abstrakte Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjektes für Lieferservices oder Take-Aways einem gänzlichen pandemiebedingten Mietzinsentfall grundsätzlich entgegensteht. Der Betreiber eines Gastgewerbes hat sich einen zu erwartenden Nutzen aus einer solchen Tätigkeit auf die Mietzinsminderung anrechnen zu lassen, auch wenn während des Lockdowns weder Take-Away noch Lieferservice tatsächlich angeboten wurden. Bei entsprechender Gestaltung des Sachverhaltes kann das Anbieten von Take-Away oder Lieferservice unzumutbar sein, was jedoch vom Bestandnehmer zu beweisen ist.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist Bestandgeberin einer Geschäftsräumlichkeit in Wien. Die Beklagte betreibt im Bestandobjekt entsprechend dem im Mietvertrag vereinbarten Verwendungszweck eine Gastwirtschaft ohne Lieferservice bzw Take-Away.  Eine Änderung des Verwendungszwecks ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Vermieters gestattet.

Nach § 7 Abs 1 COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung idF BGBl II 463/2020 war ab 3. November 2020 das Betreten und Befahren von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe untersagt. Die Abholung von Speisen und Getränken zwischen 06:00 und 20:00 Uhr war jedoch grundsätzlich zulässig.

Die beklagte Mieterin bezahlte von November 2020 bis Jänner 2021 keinen Mietzins für das Bestandobjekt.

Die Klägerin begehrte Zahlung des ausständigen Mietzinses, da eine (gänzliche) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts trotz des behördlichen Betretungsverbots für sämtliche gastronomische Betriebsstätten nicht gegeben gewesen sei. Die Beklagte hätte ein Abhol- und/oder Zustellservice betreiben können, sodass nur eine teilweise Mietzinsminderung in Frage komme.

Zur Rechtslage

Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands vorliegt, ist nach dem Vertragszweck, also gegenständlich dem Betrieb einer Gastwirtschaft, zu beurteilen.

Der vertragliche Geschäftszweck „Gastwirtschaft“ umfasst im Regelfall sämtliche Tätigkeiten, zu denen ein Gastgewerbetreibender nach der GewO berechtigt ist, also auch das Anbieten eines Take-Aways und einen Lieferservice. Von den Parteien wurde nicht behauptet, dass sie dem Begriff „Gastwirtschaft“ im konkreten Fall einen abweichenden Sinn beigemessen hätten. Der OGH kam daher zum Schluss, dass die Beklagte auch ohne Zustimmung der Klägerin zur Einrichtung eines Take-Aways oder Lieferservices berechtigt gewesen wäre.

Im vorliegenden Fall hatte der OGH in der Folge zu entscheiden, ob bereits die abstrakte Nutzungsmöglichkeit zu einer zumindest teilweisen Brauchbarkeit des Bestandobjekts und damit zu einer bloß anteiligen Mietzinsminderung führt.

Der OGH folgerte, dass die Unbrauchbarkeit bzw Unbenützbarkeit des Bestandobjekts anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen ist. Dem Mieter steht jedoch der Einwand zu, dass die Etablierung eines bislang nicht betriebenen Liefer- oder Abholservices nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit wird jedenfalls dann vorliegen, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre.
Der Bestandnehmer muss behaupten und beweisen, dass die Möglichkeit des Anbietens eines Liefer- und Abholservices im konkreten Fall gar keinen verbleibenden Gebrauchsnutzen gebracht hat, etwa, da Abholung oder Auslieferung von Speisen vom jeweiligen Kundenkreis nicht nachgefragt bzw angenommen würden. So ergeben sich möglicherweise unterschiedliche Beurteilungen für ein Fast-Food-Lokal in einer innerstädtischen Fußgängerzone im Vergleich zu einem Luxusrestaurant in abgelegener Lage oder auch einem Nachtgastronomielokal.

Das Ausmaß der Mietzinsminderung ist folglich von der zu erwartenden Bedeutung eines Liefer- bzw Abholservices abhängig.

Aus dieser Entscheidung des OGH lassen sich daher folgende Kriterien für die Beurteilung einer möglichen Mietzinsminderung ableiten:

  • vertraglich festgelegter Verwendungszweck und etwaiges Verbot bestimmter Tätigkeiten
  • Verständnis der Vertragsparteien über den Verwendungszweck
  • möglicher Tätigkeitsbereich des Bestandnehmers aufgrund öffentlich-rechtlicher Erlaubnis (zB Gewerbeberechtigung)
  • Relevanz des Kundenverkehrs für vertragsgemäße Nutzung
  • konkreter Kundenkreis
  • Lage des Bestandobjekts

Autor:innen

  • Johannes Edthaler
    Rechtsanwalt | Partner
  • Sigrid Egger
    Rechtsanwältin
  • Christina Geißler
    Rechtsanwaltsanwärterin

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