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Legal News Februar 2023

Newsletter – 28.02.2023

Nachfolgend unsere Legal News für Februar 2023. Gegliedert nach Praxisgebieten haben wir aktuelle Judikatur und gesetzliche Neuerungen kompakt zusammengefasst.

 

ARBEITSRECHT

Keine Ansprüche aus einem Schein-Dienstverhältnis

Im gegenständlichen Fall vereinbarte der Freund der Klägerin (= „Dienstnehmerin“) mit dem Geschäftsführer der Gesellschaft (= „Dienstgeber“), dass die Klägerin mit der GmbH „formell“ ein Dienstverhältnis eingeht, wobei der Freund der Klägerin der Gesellschaft den finanziellen Aufwand ersetzen sollte. Ziel und Zweck dieser Vereinbarung war, dass der Klägerin finanzielle Mittel und eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung zukommen sollten. Nachdem der Freund der Klägerin die finanziellen Aufwendungen für die Klägerin gegenüber der Gesellschaft in weiterer Folge nicht mehr ersetzte, sprach der Geschäftsführer die Entlassung der Klägerin aus. Fraglich war, ob aus diesem Scheingeschäft arbeitsrechtliche Ansprüche abgeleitet werden können.

Entscheidend für die Annahme eines echten Dienstvertrags ist eine persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber. Als wesentliche Merkmale der persönlichen Abhängigkeit zählen die organisatorische Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle. Diese Kriterien waren hier, aufgrund des Scheindienstverhältnisses, nicht erfüllt. Weder der Anmeldung bei der Sozialversicherung noch der Erklärung einer Entlassung ist eine rechtlich relevante Bedeutung über das Bestehen eines Dienstverhältnisses zuzumessen. Im gegenständlichen Fall lag ein nichtiges Scheingeschäft vor. Aus diesem Scheingeschäft konnten keine arbeitsrechtlichen Ansprüche abgeleitet werden.

OGH 27.07.2022, 7 Ra 53/22y

Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern wurde am 1. Februar 2023 im Nationalrat beschlossen. Die Beschlussfassung im Bundesrat erfolgte am 16. Februar 2023.

Hinweisgeber, die Rechtsverstöße in Unternehmen melden, sollen damit vor Repressalien geschützt werden, sofern zum Zeitpunkt der Hinweiserteilung hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass der Hinweis wahr ist und in den sachlichen Anwendungsbereich des HSchG fällt. Erfasst sind demnach beispielsweise Meldungen über Verstöße in den Bereichen Datenschutz, Umweltschutz oder öffentliches Auftragswesen. Nicht umfasst sind allerdings arbeitsrechtliche Verstöße, zB Mobbing oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Unternehmen ab 50 (und mehr) Mitarbeiter müssen verpflichtend ein internes Meldesystem für Hinweise über Missstände einführen. Größere Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern haben unmittelbaren Handlungsbedarf. Es gilt eine Übergangsfrist von sechs Monaten ab dem Inkrafttreten des HSchG. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern erstreckt sich die Umsetzungsfrist bis 17. Dezember 2023.

 

GESELLSCHAFTS- UND KONZERNRECHT

Zweiwöchiges Mindestbezugsrecht bei Kapitalerhöhung einer GmbH

Der OGH hält in seiner Entscheidung fest, dass die Mindestbezugsfrist von zwei Wochen bei Kapitalerhöhungen von Aktiengesellschaften analog auf Kapitalerhöhungen bei der GmbH anzuwenden ist.

Die Gesellschafter fassten einen Beschluss über eine Kapitalerhöhung. Zur Übernahme der neuen Gesellschaftsanteile – welche aliquot jedem Gesellschafter zustehen – hatten sie nur 7 Tage Zeit. Der OGH erachtete diese Frist als zu kurz.

Zur Übernahme der neuen Stammeinlage im Verhältnis zu den bereits bestehenden Verhältnissen ist gemäß § 52 Abs 2 GmbHG grundsätzlich eine vierwöchige Frist vorgesehen, sofern im Gesellschaftsvertrag oder im Erhöhungsbeschluss nichts anderweitig beschlossen wurde. Zwar ist diese Frist dispositiv und kann daher beliebig verlängert oder verkürzt werden. Nach der gegenständlichen Entscheidung allerdings nicht unter einer Frist von zwei Wochen.

So ist nach Ansicht des OGH die zwingende Bezugsrechtsfrist von mindestens zwei Wochen für die Kapitalerhöhung bei der AG gemäß § 153 Abs 1 Satz 2 AktG wegen des Fehlens aktienrechtlicher Besonderheiten analog im GmbH-Recht anzuwenden. Daher steht auch Gesellschaftern für die Übernahme der neuen Stammeinlagen jedenfalls eine Frist von mindestens zwei Wochen zur Verfügung.

OGH 17.10.2022, 6 Ob 183/22p

 

IMMOBILIENERECHT

Maklergesetz-Änderungsgesetz – Einführung des „Bestellerprinzips“

Die Regierungsvorlage zum Maklergesetz-Änderungsgesetz („MaklerG-ÄG“) ist am 21. Dezember 2022 im Nationalrat eingelangt. Vorbehaltlich der Annahme des Gesetzesvorschlages durch den Nationalrat im Februar 2023, werden die Änderungen des Maklergesetzes bereits am 1. Juli 2023 in Kraft treten. Von besonderer Bedeutung für Mieter, Vermieter und Makler ist bei dieser Gesetzesänderung die Einführung des Bestellerprinzips für die Vermittlung von Mietverträgen über Wohnräume:

In Zukunft soll die Provision des Maklers grundsätzlich nur derjenige Vertragsteil zahlen müssen, der die Leistung des Maklers veranlasst hat. Vom Vermieter veranlasste Vermittlungen von Mietwohnungen sollen immer nur von diesem bezahlt werden (Erstauftraggeberprinzip auf Vermieterseite). Ein Anspruch auf Zahlung der Provision durch den Mieter besteht nur dann, wenn der Makler aufgrund des Maklervertrages mit dem Wohnungssuchenden tätig wird und daraufhin eine Wohnung vermitteln kann, hinsichtlich derer er nicht schon vorher mit der Vermittlung beauftragt war. Etwaige Umgehungskonstruktionen werden durch die bevorstehenden Änderungen des Maklergesetzes ebenfalls bedacht und ausdrücklich für unwirksam erklärt. Darüber hinaus werden Makler verpflichtet, Vertragsabschlüsse schriftlich oder auf einem dauerhaft verfügbaren Datenträger zu dokumentieren, um die Transparenz der zeitlichen Abfolge zu erhöhen.

Bei Zuwiderhandeln gegen die oben beschriebenen Gesetzesänderungen des Maklergesetzes drohen Maklern ab 1. Juli 2023 Verwaltungsstrafen von bis zu EUR 3.600,- sowie Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich widerrechtlich verrechneter Provisionen.

OGH 27.9.2022, 5 Ob 149/22f

Airbnb: Unzulässigkeit der Vermietung von Wiener Gemeindewohnungen

Die Stadt Wien (Klägerin) verfügt über ca 1.800 Gemeindebauten mit rund 220.000 Wohnungen, die sie an einkommensschwächere, wohnungsbedürftige Personen vermietet, und denen sie eine Untervermietung bzw eine gänzliche und teilweise entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung des Mietgegenstands an Dritte untersagt. Über Airbnb bieten nun Personen als „Gastgeber“ Unterkünfte, darunter auch Wohnungen der Stadt Wien, an „Gäste“ (idR Touristen), zur befristeten entgeltlichen Nutzung an. Die Gastgeber entrichten für jede erfolgte Vermietung eine Servicegebühr (Provision) an Airbnb.

Airbnb wurde dazu verpflichtet, es zu unterlassen, Angebote zur (Unter-)Vermietung von Wohnungen der Stadt Wien, deren Adressen Airbnb bekannt sind, weltweit im Internet zu verbreiten. Die Adressen der Gemeindebauten hat die Stadt Wien Airbnb zur Verfügung gestellt. Airbnb darf jedoch weiterhin Angebote über die (Unter-)Vermietung von Wohnungen ohne Angabe von Namen und geografischer Anschrift des Anbieters und/oder das Bestehen eines (vertraglichen) Untermietverbots oder anderen Beschränkungen weltweit im Internet verbreiten.

Da Airbnb die Gemeindewohnungen durch Einhebung der Servicegebühr unbefugt zu ihrem Nutzen verwendet hat, darf Airbnb diesen „Nutzen“ nach der Rsp des OGH nicht behalten. Die Stadt Wien kann diesen erlangten Nutzen mit Hilfe des Verwendungsanspruchs nach § 1041 ABGB zurückverlangen und kommt ihr idZ auch ein Rechnungslegungsanspruch über Gewinne, die Airbnb durch die Vermittlung von Gemeindewohnungen als Ferienunterkünfte erzielt hat, zu.

OGH 22.11.2022, 4 Ob 33/22i

 

KAPITALMARKT- UND BÖRSENRECHT

Wertpapierfirmengesetz (WPFG)

Mit der Richtlinie (EU) 2019/2034 (IFD) sowie der Verordnung (EU) 2019/2033 (IFR) wurde ein neuer risikosensitiver und effizienter Aufsichtsrahmen für MiFID-Wertpapierfirmen geschaffen. Diese Richtlinie wurde im Wesentlichen durch das in Österreich am 1. Februar 2023 in Kraft getretene Wertpapierfirmengesetz (WPFG) umgesetzt.

Wertpapierfirmen haben abgestuft nach Art, Umfang, Risikogehalt und Komplexität ihrer Geschäfte unterschiedliche Anforderungen nach dem WPFG zu erfüllen (abhängig nach Klassen). Für mittelgroße Wertpapierfirmen (Klasse 2) ist beispielweise vorgesehen, dass die Höhe des Anfangskapitals entsprechend der konzessionierten Tätigkeiten determiniert ist. Für kleine Wertpapierfirmen (Klasse 3) sollen gewisse Mindeststandards eingeführt werden (zB keine Kundengelder), jedoch gelten Bestimmungen über die interne Unternehmensführung, Behandlung von Risiken und Vergütung für sie nicht.

Durch das WPFG kommt es auch zu einer Kompetenzerweiterung der FMA (zuständige Aufsichtsbehörde). Die FMA erhält die Befugnis die von den Wertpapierfirmen implementierten Regeln, Strategien und Verfahren zu bewerten und zu überprüfen. Die FMA erhält auch die Möglichkeit Änderungen hinsichtlich der internen Unternehmensführung herbeizuführen und eine Erhöhung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen der Wertpapierfirma zu verlangen. Ferner werden Regelungen für eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden in der europäischen Union festgelegt. Das WPFG ermöglicht auch Kooperationsvereinbarungen mit Aufsichtsbehörden von Drittländern abzuschließen.

Richtlinie (EU) 2019/2034 (IFD) sowie der Verordnung (EU) 2019/2033 (IFR), WPFG

 

LITIGATION

„10 % auf ALLES!“ – Irreführende Gutscheinwerbung

Die Klägerin und die (Erst-)Beklagte sind Medieninhaber je einer Website, auf der entgeltliche Einschaltungen und Werbung veröffentlicht werden. Die Beklagte bietet auf ihrer Website Gutscheine bestimmter Unternehmen an, unter anderem mit dem unrichtigen Hinweis „[…]-Gutschein: Spare jetzt exklusiv 10 % auf ALLES!“. Tatsächlich gewährt das betreffende Unternehmen den Inhabern eines derartigen Gutscheins keinen 10 %-Rabatt auf jeden Kauf.

Die Beklagte wurde verpflichtet es zu unterlassen, Vorzüge des „[…]-Gutscheins“ oder vergleichbarer Angebote zu behaupten und/oder zu verbreiten, wenn diese Vorzüge tatsächlich nicht oder nur in geringerem Ausmaß bestehen, insbesondere zu behaupten und/oder zu verbreiten, der „[…]-Gutschein“ gewähre einen 10 %igen Rabatt auf alle Produkte eines bestimmten Anbieters, wenn diese Behauptung nicht wahr ist. Das Verhalten der Beklagten erfüllt den Irreführungstatbestand des § 2 Abs 4 UWG (irreführende Geschäftspraktik).

Durch den OGH wurde das Vorliegen einer irreführenden Werbung bejaht, da die Bewerbung des „[…]-Gutscheins“ auf der Website der Erstbeklagten lautete „Spare jetzt exklusiv 10 % auf ALLES!“. Diese Werbeaussage war jedoch falsch, da es die 10 % Ersparnis für die Produkte im dort genannten Onlineshop nicht gab, wenn der Preis der Ware bereits reduziert war oder wenn ein Mindestbestellwert nicht überschritten wurde. Für einen Interessenten wirkte der Gutschein somit erheblich attraktiver als er tatsächlich war.

OGH 23.9.2022, 4 Ob 79/22d

 

PRIVATE CLIENTS

Heilung des Formmangels bei Schenkung einer Liegenschaft

Eine Schenkung unterliegt Formpflichten und hat entweder durch „wirkliche Übergabe“ oder Notariatsakt zu erfolgen. Der Sinn und Zweck dieser Formvorschriften liegt darin den Geschenkgeber vor Übereilung zu schützen. Die Nichteinhaltung dieser Formvorschriften kann unter Umständen rückwirkend geheilt werden.

Mit einer derartigen Heilung beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof im gegenständlichen Fall vor dem Hintergrund einer Schenkung einer Liegenschaft an eine Privatstiftung. Eine wirkliche Übergabe liegt etwa dann vor, wenn neben dem Schenkungsvertrag ein anderer Akt gesetzt wird, der nach außen in Erscheinung tritt. Dieser Akt muss dazu geeignet sein, dem Willen des Geschenkgebers, das Schenkungsobjekt zu übertragen, Ausdruck zu verleihen. Die Heilung einer Schenkung ohne Notariatsakt bedarf somit eines weiteren aktiven Tuns durch den Geschenkgeber.

Im konkreten Fall wurde Jahre nach dem Abschluss des Schenkungsvertrags durch den Geschenkgeber (der auch Stifter der jeweiligen Privatstiftung war) das Eigentum an der Liegenschaft in der Stiftungszusatzurkunde bekräftigt. Dem Obersten Gerichtshof zufolge wird durch diese Bekräftigung in der Stiftungszusatzurkunde der Formmangel geheilt.

OGH 27.6.2022, 2 Ob 59/22y

Das notarielle Testament ohne Bekräftigungszusatz

In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) 2 Ob 63/22m vom 30. Mai 2022 erkannte dieser, dass es bei einer notariellen letztwilligen Verfügung sowohl in Notariatsaktsform (§ 67 NO) als auch in Protokollform (§ 70 NO) keiner eigenhändigen Nuncupatio des Erblassers iSd § 579 ABGB bedarf. Der OGH begründet dies damit, dass sich der Verweis in § 67 NO auf die „besonderen Vorschriften des ABGB“, nur auf die Formvorschriften für ein fremdhändiges privates Testament (§ 583 ABGB) beziehen kann, welches seit dem ErbRÄG 2015 als gleichwertig zur letztwilligen Verfügung in Notariatsaktform angesehen wird. Dem gegenüber enthält § 70 NO nur punktuelle Verweise auf Formvorschrift des ABGB und eben nicht auf die Bestimmung des § 579 ABGB.

Des Weiteren besagt der OGH, dass die Formvorschriften der Notariatsordnung den Willen des Erblassers ausreichend schützen. Zu diesen Formvorschriften zählen beispielsweise das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Erblassers und der Zeugen sowie die Vergewisserung des Notars, dass das Rechtsgeschäft den Willen des Erblassers widerspiegelt.

OGH 30.5.2022, 2 Ob 63/22m

Kunstgegenstände als Teil des gesetzlichen Vorausvermächtnisses?

Aus Sicht des Testamenterrichters stellt sich häufig die Frage was zum gesetzlichen Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten gehört und daher grundsätzlich der (letztwilligen) Disposition des Erblassers entzogen ist. Generell gilt, dass dem überlebenden Ehegatten das Wohnrecht an der Ehewohnung zusteht und dieser darüber hinaus auch Eigentümer der haushaltszugehörigen, beweglichen Sachen ist, sofern diese zur Fortführung des Haushalts entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Die Lehre geht davon aus, dass eine Haushaltszugehörigkeit beispielsweise dann vorliegt, wenn die Kunstgegenstände einen räumlichen Bezug zur Ehewohnung aufweisen und auch tatsächlich in der Wohnung aufgehängt und nicht bloß gelagert werden. Als „erforderlich“ gelten nach den Materialien schließlich jene Sachen, die der Beibehaltung des bisherigen Lebensstils dienen.

Werden diese Kriterien auf eine Kunstsammlung umgelegt, hängt die Haushaltszugehörigkeit nicht vom Wert der Kunstsammlung ab; vielmehr wird diese gegeben sein, wenn die Sammlung zB im Wohnzimmer ausgestellt ist und nicht in einem ausschließlich vom verstorbenen Ehegatten benutzten Raum gelagert ist. Ob diese Kunstsammlung als zur Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnisses erforderlich ist, wird daran zu bemessen sein, welche Bedeutung den einzelnen Gegenständen nach den bisherigen Lebensverhältnisses zukommt. Überwiegt der Anlagezweck dem Dekorationszweck wird man wohl die Erforderlichkeit der Kunstsammlung verneinen müssen. Letztlich ist dies in einer Einzelfallbeurteilung zu prüfen.

 

RESTRUKTURIERUNG UND SANIERUNG | INSOLVENZ

Richtlinienentwurf: Europaweite Harmonisierung des Insolvenzrechts

Bis dato führen die 27 unterschiedlichen Insolvenzrechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu einer erheblichen Unsicherheit seitens der Gläubiger. Am 7. Dezember 2022 legte die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung des Insolvenzrechts vor. Dadurch sollen grenzüberschreitende Investitionen leichter und die verschiedenen Insolvenzordnungen vergleichbarer und damit auch berechenbarer werden.

Hervorzuheben ist insbesondere das sogenannte „Pre-Pack Verfahren“ zur Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs im Vorfeld der Insolvenzverfahren. Der Verkauf würde nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgen, und betriebsnotwendige Verträge würden ohne Zustimmung des Vertragspartners auf den Erwerber übergehen. Ein in der Richtlinie als „Monitor“ bezeichneter Insolvenzverwalter übernimmt dabei die Überwachungsaufgabe. Ein weiterer Schwerpunkt der Richtlinie liegt auf dem vereinfachten Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmen. Für Kleinstunternehmer soll Überschuldung zukünftig kein Insolvenzgrund mehr sein. Weiters muss ein Liquidationsverfahren unabhängig von einer Verfahrenskostendeckung eröffnet werden.

Die Richtlinie enthält jedoch nicht nur Neuerungen, die österreichische Insolvenzordnung sieht bereits jetzt teilweise strengere Regelungen vor. Etwa bei der Pflicht der Geschäftsführer zur Insolvenzantragsstellung.

Bislang liegt lediglich ein Richtlinienentwurf vor. Es kann derzeit noch nicht abgesehen werden, ob dieser auch in der veröffentlichten Form verabschiedet wird. Darüber hinaus stellt der Vorschlag der EU-Kommission eine Mindestharmonisierung dar. Die Mitgliedstaaten können bestehende strengere Vorgaben beibehalten oder neu einführen.

 

STRAFRECHT | COMPLIANCE

Beschränkung der Akteneinsicht/Datenschutzrecht

Aktenleaks werden Auslöser und zugleich selbst immer häufiger Gegenstand der medialen Debatten. Die Justiz bestreitet jegliche Verantwortung für die Aktenleaks und zeigt in die Richtung der Beschuldigten und ihrer Verteidiger.

Im Anlassfall wollte der Beschuldigte unter Berufung auf das „durch § 74 Abs 2 StPO gewährleistete Recht auf Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Datenminimierung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ verhindern bzw unterbinden, dass andere Verfahrensbeteiligte (Mitbeschuldigte, Privatbeteiligte, Opfer etc) Einblicke in eine aktenkundige Aufstellung seiner Vermögensverhältnisse erhalten.

In weiterer Folge vertrat das Oberlandesgericht Wien die Rechtsansicht, dass die in § 74 Abs 2 StPO normierte Verpflichtung zur Vertraulichkeit in Bezug auf die hier betroffenen personenbezogenen Daten durch die Staatsanwaltschaft dadurch einzuhalten sei, „dass sie bei der Gewährung von Akteneinsicht im Einzelfall unter Berücksichtigung der beim jeweiligen Antragsteller bestehenden Verdachtslage sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu prüfen hat, ob und in welchem Umfang sie (allenfalls durch vorzunehmende Schwärzungen) dem Antragsteller zur ausreichenden Wahrung seines rechtlichen Gehörs und der wirksamen Ausübung seiner Verteidigung und der Waffengleichheit Einsicht gewähren darf“.

Der OGH hielt hierzu fest, dass das verfassungsgesetzlich gewährleistete (vgl Art 6 Abs 1 iVm Abs 3 lit a und b EMRK) Recht von Beschuldigten, in sämtliche der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegende Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens Einsicht zu nehmen (§ 51 Abs 1 StPO), nur in den in § 51 Abs 2 StPO normierten und restriktiv auszulegenden Ausnahmefällen beschränkt werden darf. Eine Einschränkung des Beschuldigtenrechts auf Akteneinsicht unter Berufung auf Datenschutz ist in § 51 Abs 2 StPO nicht vorgesehen. § 51 Abs 2 verdrängt als lex specialis § 74 Abs 1 StPO.

Es steht damit fest, dass ein Beschuldigter nicht die Akteneinsicht eines Mitbeschuldigten unter Berufung auf Datenschutz erwirken kann. Eine Einschränkung der Akteneinsicht des Privatbeteiligten, des Opfers bzw eines Privatanklägers kann der Beschuldigte jedoch unter Berufung auf Datenschutz erreichen (§ 49 Abs 2).

OGH, 24.8.2022, 14 Os 82/22y

 

UNTERNEHMENS- UND VERTRAGSRECHT

Trotz nachträglicher Herstellung der Brauchbarkeit eines Werks bei Warnpflichtverletzung kein Anspruch auf Werklohn

Der beklagte Werkbesteller beauftragte die klagende Werkunternehmerin (Fachunternehmen) unter anderem mit der Errichtung einer elektrischen Warmwasserbereitung (Boiler). Diese Form der Warmwasserbereitung entsprach nicht dem Steiermärkischen Baugesetz und wurde in der Folge keine Genehmigung für den Betrieb erteilt. Um die erforderliche Genehmigung noch zu erlangen, errichtete der Beklagte daraufhin auf eigene Kosten zusätzlich eine Photovoltaikanlage. Die Werkunternehmerin klagte die Werklohn(teil-)forderung für die Errichtung der Warmwasserbereitung ein. Der Werkbesteller bestreitet diese Forderung und machte als Gegenforderung die Kosten für die Errichtung der Photovoltaikanlage geltend.

Die Klägerin als Fachunternehmen hätte den Beklagten darauf hinweisen müssen, dass die durch „normalen“ Strom betriebenen Warmwasserboiler nicht mit Bestimmungen im Steiermärkischen Baugesetz in Einklang stehen. Die später auf Kosten des Werkbestellers hergestellte Brauchbarkeit führt lt. OGH nicht zur Berechtigung des Werklohnanspruchs des Werkunternehmers für die anfänglich misslungene (weil nicht genehmigungsfähige) Warmwasserbereitung. Grund hierfür ist, dass der Werkunternehmer ansonsten ungerechtfertigt von dem ihm zugewiesenen Risiko des Misslingens des Werks bei Verletzung von Aufklärungspflichten entlastet wäre, wenn der Werkbesteller (also hier der Beklagte) selbst die Herstellung der Brauchbarkeit vornimmt. Ob die Gegenforderung für die Errichtung der Photovoltaikanlage berechtigt ist, hängt davon ab, welche Kosten dem Werkbesteller nur deshalb entstanden sind, weil er nicht gleich eine genehmigungsfähige Warmwasserbereitung herstellen ließ, sondern nunmehr eine Photovoltaikanlage nachtragen lassen muss. Für die Höhe des Anspruchs sind die vom Beklagten tatsächlich aufgewendeten Kosten jenen gegenüberzustellen, die bei rechtzeitiger Warnung entstanden wären.

OGH 22.11.2022, 1 Ob 164/22g

 

DATENSCHUTZ

Rechtsfolgen der Zustimmung zur Datenschutzerklärung

Häufig fordern Unternehmer bestehende und potentielle Kunden zur Abgabe einer „Einwilligung“ oder „Zustimmung“ bzw „zur Kenntnisnahme“ der Datenschutzerklärung auf. Grund hierfür dürfte sein, sich als datenschutzrechtlich Verantwortliche gegen mögliche Vorwürfe unrechtmäßiger Datenverarbeitungen wappnen zu wollen. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Datenverarbeitung durch den Verantwortlichen regelmäßig bereits aufgrund der Vertragserfüllung oder aufgrund der Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen rechtmäßig im Sinne der DSGVO erfolgt, es sohin grundsätzlich keiner zusätzlichen Einwilligung der betroffenen Person bedarf.

Wenngleich gemäß Art 12 ff DSGVO den Verantwortlichen eine Informationspflicht trifft, deren Einhaltung von ihm im Streitfall nachzuweisen ist, ist diese Pflicht nicht derart ausgestaltet, dass von der jeweils betroffenen Person eine Zustimmung oder Bestätigung der Kenntnisnahme einzuholen ist. Ein solcher „Übereifer“ kann sogar nachteilige Rechtsfolgen für den Unternehmer nach sich ziehen, wie sich aus einer unlängst ergangenen Entscheidung des OGH ergibt. Das Höchstgericht judizierte, dass ein „Datenschutzhinweis“ als Vertragsklausel anzusehen ist, sofern von der betroffenen Person die Zustimmung oder auch nur die Bestätigung der Kenntnisnahme gefordert wird. Das hat die Anwendung der strengen Klauselkontrolle gemäß § 879 ABGB und § 6 KSchG auch auf den „Datenschutzhinweis“ zur Folge. Im Ergebnis erachtete der OGH im gegenständlichen Fall mehrere im „Datenschutzhinweis“ enthaltene Klauseln als aus Kundensicht zu unbestimmt bzw intransparent und damit als rechtlich unzulässig.

OGH 23.11.2022, 7 Ob 112/22d

Autor:innen

  • Johannes Edthaler
    Rechtsanwalt | Partner
  • Christina Hödlmayr
    Rechtsanwältin | Partnerin

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